Nach dem Tod dreier mit verseuchter Nährlösung behandelter Babys an der Uniklinik Mainz stehen die Hygiene-Vorschriften für Krankenhäuser auf dem Prüfstand. Das Bundesgesundheitsministerium kündigte am Dienstag in Berlin an, mit den für die Krankenhaus-Hygiene zuständigen Ländern zusätzliche Regelungen zu erörtern. Zudem wurden in der schwarz-gelben Koalition Forderungen nach bundesweit gültigen Vorschriften laut. Drei Tage nach den ersten Todesfällen war immer noch unklar, ob die Nährlösung Todesursache war und wie sie kontaminiert wurde. Montagabend war ein drittes Baby gestorben.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, warf den Kliniken vor, zu wenig für die Hygiene zu tun. "Mehr als 600.000 Infektionen pro Jahr in Krankenhäusern sind ein Skandal", sagte er Reuters. Ähnlich wie Spahn forderte auch die FDP-Fraktionsvize Ulrike Flach gesetzliche Maßnahmen. Bis zu 40.000 Patienten würden jedes Jahr sterben, weil sie sich im Krankenhaus angesteckt hätten. Die FDP-Fraktion werde im September die Initiative für eine bundesweite Regelung ergreifen, sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Eine bundesweite Verordnung verlangte auch die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaus-Hygiene. "Föderalismus hat an der Stelle nichts zu suchen. Bakterien kennen keine Grenzen", sagte der Sprecher der Organisation, Klaus-Dieter Zastrow, im Deutschlandradio. Die Hälfte der 40.000 Todesfälle durch Krankenhaus-Infektionen wäre bei sachgerechter Hygiene vermeidbar.
Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts hat eine Expertenkommission Empfehlungen für die Keimfreiheit in Kliniken erarbeitet. Ihre Umsetzung sei Ländersache. "Entscheidend für die Hygiene ist letzten Endes die Krankenhausleitung", sagte eine Institutssprecherin.
Klinik: Debatte um Hospitalinfektionen ist anderes Thema
Der ärztliche Direktor des Mainzer Klinikums, Norbert Pfeiffer, stellte einen Zusammenhang zwischen dem Tod der Babys und Krankenhaus-Infektionen in Abrede. Der Vorgang sei vollkommen von der Debatte um die Hospital-Infektionen zu trennen, sagte er. Bei diesen Infektionen stecke beispielsweise ein Patient einen anderen an.
Weiter Rätselraten herrschte darüber, ob die verseuchte Nährlösung tödlich für die Frühgeborenen war. "Auch zum jetzigen Zeitpunkt wissen wir nicht, wie die Todesursache genau lautet", sagte Pfeiffer. Das am Montagabend gestorbene dritte Frühgeborene habe ein sehr niedriges Geburtsgewicht gehabt, mit seinem Tod sei gerechnet worden.
Auch sei unklar, wie die Nährlösung verschmutzen konnte: "Wir stehen im Moment noch vor einem Rätsel, wie, wann an dieser Stelle eine Verkeimung vonstattengehen konnte." Nach dem "Leck" im Herstellungsprozess der Infusion werde fieberhaft gesucht.
Todesursache womöglich erst nach Wochen bekannt
Nach Angaben von Oberstaatsanwalt Klaus-Peter Mieth wird es möglicherweise noch Wochen dauern, bis die Todesursache der Babys feststeht. Möglicherweise Donnerstag könne es aber schon Erkenntnisse darüber geben, wie die Keime in die Nährlösung gelangt seien. Wegen der Todesfälle ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Unbekannt wegen des Verdachts fahrlässiger Tötung.
Nach Angaben der Mainzer Klinik hat sich der zunächst kritische Zustand von vier weiteren Frühgeborenen in der Nacht zum Dienstag gebessert. Mit weiteren Todesfällen werde nun nicht mehr gerechnet.