Es ist ein schockierender Anblick: Auf Bildern und Videos, die die Tierschutzorganisation "Sea Shepherd" am Sonntagabend auf sozialen Medien veröffentlicht hat, ist zu sehen, wie unzählige tote Delfine an einem Strand auf den Färöern dicht an dicht liegen – das Wasser rot vom Blut.
Der traditionelle Walfang, genannt "Grindadráp" oder kurz "Grind", auf den Dänemark zugehörigen Inseln ist höchst umstritten. Die Tierschützer nennen die Jagd ein "grausames und überholtes Relikt aus alter Zeit". Viele Färöer wiederum berufen sich auf ihr Recht der jahrhundertealten Tradition.
Der Grind: ein "von Natur aus ein dramatischer Anblick"
Theoretisch gibt es auf den Färöern keine festgelegte Jagdsaison. Da das Wetter jedoch mitspielen muss, wird meist im Juli und August zur Jagd gerufen. Häufigstes Ziel beim Grind: die namensgebenden Grindwale. Auf der Website des färöischen Fremdenverkehrsamts wird der Ablauf der Treibjagd wie folgt beschrieben: Sobald eine größere Gruppe Wale gesichtet wird, wird die Nachricht rasch unter den Bewohnern verbreitet. Manche Arbeitgeber würden ihren Angestellten sogar freigeben, damit sie am Grind teilnehmen können.
Auf dem Meer drängen die Jäger die Wale mit ihren Booten zusammen, treiben sie in die nächstgelegene Bucht und versperren ihnen mit vorab an Land bereit liegenden Steinen den Fluchtweg. Gestrandete Tiere würden auf die "effizienteste und humanste Art" getötet: Dabei würde mit einem Messer die Hauptblutversorgung des Hirns durchtrennt. Laut Vorschrift müssen jedoch Tiere, die daraufhin nicht stranden, wieder zurück aufs offene Meer getrieben werden. Die Walleichen und das buchstäblich blutrote Wasser sei zugegebenermaßen für Außenstehende ein "von Natur aus ein dramatischer Anblick". Das Fleisch würde anschließend unter den Bewohnern des Fangbezirks unter Aufsicht des örtlichen Polizeidirektors aufgeteilt. Eine industrielle Abfertigung und einen kommerziellen Walfang gebe es nicht.

Walfleisch kaum zum Verzehr geeignet
Den Tierschützer von Sea Shepherd zufolge, die sich seit den 1980ern für die Abschaffung des Grindadráp einsetze, hat der Walfang auf den Färöern schon lange nichts mehr mit lebensnotwendiger Nahrungsmittelbeschaffung zu tun. Vielmehr sei der Grind, bei dem teilweise an einem einzigen Tag ganze Walschulen ausgelöscht würden, "nur noch ein blutiger Sport". Auch widerspricht die Organisation der Behauptung, das Schlachten würde auf humane Weise durchgeführt. Der Prozess könne über mehrere Stunden dauern und brächte den Tieren Stress und Leid.
Páll Nolsøe, Kommunikationsberater im färöischen Kulturministerium bezeichnet den Walfang gegenüber "Plant Based News" als "traditionelle Methode der Nahrungsmittelproduktion". Genau wie Weidehaltung von Schafen und Küstenfischerei, sei der Grind eine "wichtige Ergänzung des Lebensunterhalts". Tatsächlich eignet sich das Walfleisch vor allem wegen des hohen Quecksilberanteils jedoch kaum zum Verzehr. Die färöische Lebensmittel- und Veterinärbehörde gab 2011 eine Empfehlung heraus, wonach Erwachsene nicht mehr als eine Mahlzeit Grindwalfleisch und -blubber pro Monat essen sollten. Kinder und Frauen, die stillen oder schwanger sind respektive werden wollen, sollten gänzlich darauf verzichten.
Ex-Vorsitzender der Walfangvereinigung nennt Fang von Sonntag überzogen
Der Tod von den mehr als 1400 Delfinen am Sonntagabend hat die Debatte über die Sinn- und Rechtmäßigkeit des färöischen Walfangs erneut aufflammen lassen, berichtete der dänische Rundfunk am Dienstag. Die Zahl der am Sonntag getöteten Tiere ist also außergewöhnlich hoch.
Selbst der ehemalige Vorsitzende der färöischen Vereinigung für den Grindwalfang sagte demnach gegenüber dem färöischen Rundfunksenders KVF die Tötung einer solch großen Anzahl an Delfinen sei überzogen. Einem Bericht der BBC zufolge waren selbst Einheimische von dem Ausmaß der Schlachtung schockiert – darunter auch Färöer, die dem Walfang positiv gegenüberstehen. Nach Angaben eines färöischen Meeresbiologen seien noch nie in der Landesgeschichte so viele Delfine an einem Tag getötet worden. Laut färöischen Zählungen wurden 2020 insgesamt 576 Grindwale sowie 35 Weißseitendelfine erlegt.
Quellen: Website Tourismusministerium Färöer; "Plant Based News"; Sea Shephard; "BBC"; DPA