Standing Rock klingt, als hätte man es für diesen Kampf eigens erfunden. Das ist natürlich nicht so. Angehörige des gleichnamigen Stammes der Sioux-Nation haben ihrem Namen aber alle Ehre gemacht. Acht Monate lang blockierten sie unverrückbar wie Felsen die Zufahrt zur Baustelle der umstrittenen 1900 Kilometer langen Dakota-Access-Pipeline. Für die Indianer ist sie die "black snake", die schwarze Schlange, die durch heiliges Land kriecht und das Trinkwasser vergiftet. North Dakota ist altes Indianer-Gebiet - wie schon der Name des US-Bundesstaates verrät. Dakota bezeichnet sowohl die östlichen Stammesgruppen der Sioux als auch deren gemeinsame Sprache. Das Wort bedeutet soviel wie "Freunde" oder "Verbündete".
Viele Verbündete brauchten die Standing Rock auch, um ihr Ziel - den Baustopp für die Pipeline - zu erreichen. Mit Hilfe der sozialen Medien wuchs der Protest zu einer Bewegung. Dem Slogan "Stand with Standing Rock" folgten schließlich Tausende. Neben den Indianern kamen Umweltaktivisten, Kriegsveteranen sowie Prominente aus Unterhaltung und Politik - darunter Katy Perry, Michael Moore, Pharrell Williams, Bernie Sanders und Al Gore. Mit Erfolg. Die US-Regierung stoppte Anfang der Woche den Bau, kurz bevor das Protestcamp geräumt werden sollte. Der Jubel war groß. Wie lange er währt, ist aber eine ganz andere Frage. Denn in dem Projekt steckt das Geld des künftigen US-Präsidenten Donald Trump. Und zudem das Geld einer internationalen Bankengruppe, zu der auch die Bayern LB zählt.
Jubel bei den Indianern, Verärgerung in der Politik
Zunächst aber wurde im Protestlager der überraschende Baustopp mit Freudentänzen gefeiert. Die Sioux unterstützten die Entscheidung der US-Regierung "von ganzem Herzen", erklärte der Stammesführer Dave Archambault. Er bedankte sich bei Präsident Barack Obama, dem Justiz- und Innenministerium sowie dem Ingenieurkorps der Armee für ihren "Mut, den Lauf der Geschichte zu verändern und das Richtige zu tun".
Der Betreiberkonzern Energy Transfer Partners gab zunächst keine Stellungnahme ab. Die Lobbygruppe Midwest Alliance for Infrastructure Now verurteilte den Baustopp jedoch als "rein politische Entscheidung", mit der der scheidende Präsident Barack Obama sein "Vermächtnis bei der extremen Linken" aufbessern wolle. Der republikanische Gouverneur von North Dakota, Jack Dalrymple, sprach von einem "schweren Fehler". Norths Dakotas Abgeordneter Kevin Cramer zeigte sich überzeugt, dass "Recht und Ordnung" schon im Januar wiederhergestellt würden. Der neue US-Präsident Donald Trump werde "der Rechtsstaatlichkeit keine lange Nase drehen".
Donald Trump profitiert von der Röhre
Pikant an dieser Äußerung ist, dass Trump als Unternehmer kräftig in ETP.N und Phillips 66 investiert hat. ETP.N (Energy Transfer Partners, Texas) baut die Pipeline, Phillips hält 25 Prozent Anteile an der Röhre - wenn sie denn fertig ist. Vergangene Woche bekräftigte der designierte US-Präsident, er unterstütze die Fertigstellung des Projekts. Trumps Team hatte verlautbart, diese Unterstützung habe mit seinen persönlichen Investments nichts zu tun. Sie drehe sich um die Werbung für eine Politik, von der alle Amerikaner profitierten.
Das kritisierte unter anderem Greenpeace vehement. "Trump zeigt uns mit der Unterstützung der Dakota Access Pipeline den Spießgesellen-Kapitalismus, der seine Regierung bestimmen wird", erklärte Greenpeace-Sprecherin Mary Sweeters in einem Statement. Das ganze Unterfangen sei Korruption in Reinform. "Der Präsident der USA sollte keinen Handel treiben mit Öl- und Gasgesellschaften."
Einer der größtmöglichen Erfolge für zivilen Prozess
Dass Trump nach seiner Amtseinführung Ende Januar das Pipeline-Projekt wieder anschieben wird, gilt vielen Beobachtern als sicher. Zumal auch ein internationales Konsortium aus 17 Banken ein Interesse an der Öl-Leitung hat. Zu den Häusern, die Kredite in der Gesamthöhe von 2,5 Milliarden Dollar für das Projekt gegeben haben, gehört auch die Bayern LB. Diese vergibt Kredite für Projekte in den USA nur noch an Kunden mit Deutschlandbezug. Über den Namen des Kunden und die Höhe des Kredits schweigt sich die Bank nach Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" mit Hinweis auf das Bankgeheimnis aus.
Einfach abschreiben werden die Dakota Access Pipeline aber weder die Banken noch die beteiligten Firmen. Das wissen auch die Indianer. Einige wollen deshalb weiter ausharren, in Tipis und Jurten im eisigen Winter. Sicherheitshalber, man wisse ja nie. Auf bis zu minus 20 Grad sollen die Temperaturen dieser Tage in North Dakota sinken, aber sie wollen sich an ihren Freudenfeuern wärmen. Dies sei einer der größtmöglichen Erfolge für zivilen, gewaltfreien Protest.