Als "fliegende Särge" werden sie in Russland bezeichnet: Die Tupolew TU-154, mit der jetzt der polnische Präsident Lech Kaczynski tödlich verunglückt ist, gehört zu den meistverkauften Flugzeugen der zivilen russischen Luftfahrtindustrie - aber auch zu den anfälligsten. Luftfahrtexperten sprechen von einer "schwarzen Serie" der Passagiermaschine.
"Ihre Unfallhäufigkeit ist auffällig", sagt Jan-Arwed Richter vom Flugunfallbüro "Jacdec.de", der mit seiner Firma Unfalldaten der zivilen Luftfahrt sammelt. Seit der Inbetriebnahme der ersten TU-154 im Jahr 1972 habe es 58 Abstürze gegeben, davon mehr als 30 mit Toten. Insgesamt seien 2784 Menschen in der Tupolew ums Leben gekommen, das jetzige Unglück noch nicht mitgezählt, rechnet Richter vor.
Auch Luftwaffe flog Tupolew TU-154
Zwei Unglücke aus der jüngsten Vergangenheit dürften vielen in Erinnerung geblieben sein: Das Flugzeug, das im Juli 2002 über dem Bodensee mit einem Frachtflugzeug des Typs Boeing 757 zusammenprallte, war ebenfalls eine Tupolew TU-154. Bei dem Unglück starben 71 Menschen, darunter 52 Kinder. Im Juli vergangenen Jahres starben 168 Menschen beim Absturz einer Tupolew TU-154 auf dem Weg vom Iran nach Armenien. An Bord war die iranische Jugendnationalmannschaft im Judo.
Auch die Luftwaffe der Bundeswehr hat bis Ende der 90er Jahre Tupolews des gleichen Bautyps geflogen. Die Maschinen stammten aus alten DDR-Beständen, wurden aber nach Absturz einer Bundeswehrmaschine 1997 vor Namibia, bei dem 24 Menschen ums Leben kamen, ausgemustert. Nach Informationen von Flugexperte Richter seien die Bundeswehr-Tupolews damals auch für die Flugbereitschaft eingesetzt worden und hätten Regierungsmitglieder befördert. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums konnte dies am Samstag gegenüber stern.de weder bestätigen noch dementieren.
"Die gesamte Technik stammt noch aus den 80er Jahren", sagt Richter. Die mit drei Triebwerken ausgestattete TU-154 wurde vor fast vier Jahrzehnten entwickelt. Um sie zu fliegen, sind bis heute vier Personen im Cockpit notwendig, darunter ein Navigator. "Das zeigt, wie veraltet die Maschine ist", sagt Richter. Moderne Flugzeuge kommen mit zwei Personen zur Steuerung aus.
Regierungsmitglieder flogen lieber mit Linienmaschinen
Die TU-154 ähnelt einer Boeing 727, ist knapp 48 Meter lang und hat eine Spannweite von über 37 Metern. Das Flugzeug ist für 155 bis 180 Passagiere ausgelegt und hat eine Reichweite von bis zu 4000 Kilometern. Nach der Herstellung von mehr als tausend Maschinen wurde ihre Produktion 1994 eingestellt.
Polen hat zwei baugleiche Tupolews TU-154 als Regierungsmaschinen in Dienst, die beide im Jahr 1990 gebaut wurden. Wegen deren Anfälligkeit seien viele polnische Politiker lieber mit Linienflugzeugen geflogen, heißt es in Polen. Die genaue Ursache des Absturzes in Smolensk ist bislang allerdings unklar.