Beim Oktoberfest gehört das Dirndl zur Standardkleidung, und das nicht nur in München. Wer zur Wiesn will, hat kaum eine andere Wahl als sich in das Trachtenkleid zu tun. In Bayern ist es auch außerhalb des Oktoberfestes immer wieder etwa auf Hochzeiten oder Volksfesten zu sehen. Doch wie kam das Dirndl eigentlich zu seiner großen Popularität? Die Antwort überrascht: Erst ein Brüderpaar aus Bielefeld sorgte dafür, dass das Dirndl in München zum Trend wurde.
Moritz und Julius Wallach, zwei jüdische Brüder aus Ostwestfalen, waren aus Bielefeld nach München gezogen und hatten dort 1890 das Volkskunsthaus Wallach gegründet, in dem sie Trachten und Volkskunst verkauften. Darunter eben auch die Dirndl, die in Bayern damals durchaus schon bekannt waren, aber erst durch die Wallach-Brüder größeren Anklang in der höheren Gesellschaft fanden.
Bielefelder Brüder machten aus der Arbeitskleidung begehrte Mode
Ihre Stoffdrucke erfreuten sich großer Beliebtheit, auch außerhalb von München, selbst Mitglieder des europäischen Hochadels gehörten zu den Kunden der Brüder. Doch seinen Durchbruch erlebte das Dirndl erst 1910. Zum 100-jährigen Jubiläum des Oktoberfests rüsteten die gebürtigen Bielefelder kostenlos den Landestrachtenzug mit ihren Kleidern aus. Eine Werbeinvestition, die sich lohnte. Fortan verfestigte sich die Tradition, auf der Wiesn ein Dirndl zu tragen, jedes Jahr mehr.
1930 schaffte es das Dirndl dann endgültig auf die ganz große Bühne – in jener Gegend, die die Bayern gern abfällig als "Preißn" betiteln. In Berlin wurde die Operette "Im weißen Rössl" ein großer Erfolg beim Publikum, und da die Bühnenkostüme unter anderem aus Dirndln der Brüder Wallach bestanden, war plötzlich auch die Berliner Gesellschaft scharf auf bayerische Tracht.
Im Süden gehörte das Dirndl schon lange, bevor es seinen Siegeszug antrat, zur Alltagskleidung. Daher auch der Name: Als "Dirndl" wurden im bayerischen Jargon des 19. Jahrhunderts Dienstmägde auf Bauernhöfen bezeichnet. Sie trugen die Kleider bei der täglichen Arbeit. Dass die traditionelle Kleidung dann auch in den Großstädten getragen wurde – und zwar sogar zu festlichen Anlässen –, sehen Historiker als Auswirkung der damaligen Sehnsucht nach der Ruhe des Landlebens.
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Nazis instrumentalisierten das Dirndl
Aber zurück den Brüdern Wallach: Nachdem sie die bayerische Tradition entscheidend mitgeprägt hatten, kamen harte Zeiten für die Kaufmänner. Mit dem Erstarken der Nationalsozialisten hatten sie als Juden einen zunehmend schweren Stand, konnten sich aber auch nach der Machtgreifung Hitlers 1933 noch einige Jahre halten. 1938 gaben Moritz und Julius Wallach ihr Geschäft auf und emigrierten in die USA. Ihr dritter Bruder Max, der in dem Geschäft ebenfalls eine leitende Funktion inne gehabt hatte, starb im Konzentrationslager Theresienstadt.

Die traditionellen Kleider selbst passten hingegen in die Ideologie der Nazis und wurden vom Regime instrumentalisiert – auch wenn die Reichsbeauftragten für Trachtenarbeit einige Änderungen am Design vornahm. Das Dirndl wurde dadurch erotischer, unter anderem wurde der Rock kürzer, die Brust wurde stärker betont und die Armbedeckung fiel weg. Damit sollten die völkischen Werte hervorgehoben werden. Juden war es verboten, deutsche Trachtenkleidung zu tragen.
Die heute bekannte Form des Dirndl geht also weitgehend auf die Änderungen in der Nazi-Zeit zurück. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verlor die Trachtenkleidung einiges von ihrem Reiz, sie galt jahrzehntelang als rückständig, angestaubt und borniert. Das hat sich mittlerweile geändert: Das Dirndl ist wieder in, nicht nur auf dem Oktoberfest – auch große Designer wie Dolce & Gabbana oder Vivienne Westwood schätzen es und orientieren sich daran.
Quellen: "Jüdische Allgemeine" / "Bild" / BR / "Salzburger Nachrichten"