Klimagipfel in Kopenhagen Das Tischtuch ist vorerst zerrissen

Ein dänischer Entwurf für das neue Klimaabkommen sorgt in Kopenhagen für Ärger. Darin werden die Industrienationen eindeutig bevorzugt - auf Kosten der Entwicklungsländer.

Bei den Kopenhagener Klimaverhandlungen zeichnet sich eine klare Konfliktlinie zwischen den Entwicklungsländern und den Industrienationen ab. Gegenstand großer Aufregung ist derzeit ein Entwurf für das neue Klimaabkommen, den die dänischen Gastgeber als Verhandlungsgrundlage eingebracht haben. Das Dokument, das erst am 27. November in Kopenhagen auf Ministerebene fertiggestellt wurde, kam gestern an die Öffentlichkeit: Delegationen aus Entwicklungsländern legten Nichtregierungsorganisationen eine Fassung zur Kommentierung vor, kurz darauf gelangte es an die Presse. Wenig später stellte es der englische "Guardian" auf seiner Website für jedermann einsehbar als Datei zur Verfügung.

Der Entwurf stellt einen vollständigen Ersatz des Kyoto-Protokolls dar, also keine Fortschreibung des damaligen Vertrages. Daher sieht er auch für Entwicklungsländer - mit Ausnahme der ärmsten - genaue Klimaziele vor, bis jetzt jedoch ohne exakte Zahlenwerte zu nennen. Klar ist aber, dass auch weniger entwickelte Staaten eine strenge Vorgabe erhalten sollen, wann ihre Treibhausgas-Emissionen einen Scheitelpunkt erreichen müssen, um dann wieder abzusinken. Für Vertreter der Entwicklungsländer bedeutet dies, dass ihre Bürger niemals ähnlich hohe Energieverbrauchswerte erreichen dürfen wie die der reichen Staaten. Zudem sieht der Vertrag vor, solche Technologien stärker zu fördern, die nur von weit entwickelten Nationen erforscht werden können. Und er verlangt von den Entwicklungsländern unter anderem einen nachdrücklichen Schutz ihrer Wälder, ohne konkrete Zusagen über mögliche Ausgleichszahlungen zu machen: Erst kürzlich hatte Brasiliens Präsident Lula da Silva Geld aus der Ersten Welt dafür verlangt, dass er die Regenwaldabholzung stoppt.

Keine langfristigen Hilfen für die armen Länder

Überhaupt - und das ist für die G-77-Gruppe der ärmeren Staaten ein besonderer Stein des Anstoßes - sagt der Text über eine zügige Hilfe von bis zu 30 Milliarden Dollar von 2010 bis 2012 hinaus konkret keine langfristigen Transferleistungen für die Dritte Welt zu. Genau dies gehört jedoch zu den wichtigsten Forderungen der afrikanischen Staaten, die für bereits eingetretene Schäden quasi Reparationen von den Industriestaaten erwarten. So war zum Beispiel im Umfeld des afrikanischen Verhandlungsführers, des äthiopischen Premierministers Meles Zenawi, bereits die Forderung nach 45 Milliarden Euro laut geworden - und zwar pro Jahr.

Vertreter verschiedener Nichtregierungsorganisationen, darunter des WWF und der britischen Entwicklungshilfevereinigung Oxfam, haben den Verdacht geäußert, die europäischen Nationen wollten im Bündnis mit dem kommende Woche eintreffenden US-Präsidenten Barack Obama die Gunst der durch die Wirtschaftskrise nachlassenden Geberlaune in ihren Ländern ausnutzen, um ein mögliches Kyoto-Nachfolgeabkommen möglichst billig zu bekommen. Antonio Hill, Klimaexperte von Oxfam, sagte dem "Guardian", dass er zudem befürchte, eventuelle Hilfsgelder könnten in die Hände der Weltbank gelangen, statt direkt von der UN verwaltet zu werden. Die Weltbank ist bei Entwicklungsländern ebenso unpopulär wie bei Globalisierungsgegnern.

Zwischen den Positionen liegen noch Welten

Zwar handelt es sich bei dem dänischen Papier lediglich um einen frühen Entwurf, an dem so gut wie alles noch abgestimmt werden kann. Dennoch steht er in einer klaren Traditionslinie, die auf dem G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm erstmals deutlich und auf dem Folgegipfel im japanischen Toyako im Juli 2008 bekräftigt wurde: Artikel 23 der dort verabschiedeten Erklärung legte fest, dass die Geschwindigkeit eventueller Klimaschutzmaßnahmen in der Folge von Kyoto stets kompatibel mit Wirtschaftswachstum und Energiesicherheit zu sein habe. Die Position der Industrienationen enthält noch weitere Kniffe, darunter zum Beispiel die Festlegung, Emissionen bis 2050 um mindestens 50 Prozent einzuschränken, ohne jedoch das Basisjahr anzugeben, auf das sich diese 50 Prozent beziehen sollen.

In diesen ersten Tagen des Gipfels liegen also zwischen den Positionen der Reichen, der Armen und der Nicht-mehr-so-Armen (wie China und Indien) noch Welten. Letztere beiden Gruppen übrigens spaltet der dänische Entwurf ganz bewusst; er bricht so die eine Front auf, die Schwellen- und Entwicklungsländer ansonsten bilden könnten. Gerade letzte Woche übrigens hat die EU ein weiteres bedeutendes Technologie-Abkommen mit der Volksrepublik China abgeschlossen. Mit enthalten: Projekte für klimafeste Nahrungspflanzen und für die Energiegewinnung aus Kernfusion. So macht man sich Freunde.

Diejenigen, die annehmen, dass man die auseinanderklaffenden Positionen in Kopenhagen noch vereinbaren kann, sind derzeit eine hoffnungsfrohe Minderheit: In den kommenden Tagen werden in den Hinterzimmern erst einmal die Fetzen fliegen wie beim Hahnenkampf.

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