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Max-Planck-Institut Rosinenhandel und Pipi-Tricks

150 Jahre nach seiner Geburt steht der Name Max Planck für Spitzenforschung. Etliche Einrichtungen tragen seinen Namen - wie das Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, wo Menschenaffen Computerbildschirme betasten, ihr ökonomisches Denken mit Rosinen unter Beweis stellen und manchmal auch in Versuchsapparate pinkeln.
Von Mareike Gries

Er ist der Begründer der Quantentheorie, revolutionierte die moderne Physik, wurde 1918 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet und komponierte obendrein in seiner Jugend zahlreiche Musikstücke. Max Planck war ein Ausnahmetalent. In dieser Woche wäre er 150 Jahre alt geworden. Und sein Ruhm währt bis heute: 78 Forschungsinstitute tragen seinen Namen. Ein Beispiel seines geistigen Erbes ist das Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Dort gehen die Wissenschaftler der Geschichte der Menschheit auf den Grund - und zwar im Zoo.

Morgens ist noch nicht viel los im Pongoland, der größten Affenanlage der Welt, im Leipziger Zoo. Ein stattlicher Orang-Utan sitzt zusammen mit seinen Artgenossen in einem Innengehege. Eine durchsichtige Kuppel überspannt dieses gut 3000 Quadratmeter große Areal, in dem es so heiß und stickig ist, wie im tropischen Regenwald. Der Orang-Utan lässt sich davon nicht beeindrucken. Er wickelt sich lieber in ein Stück Packpapier ein. Erst als eine Gruppe von Schulkindern das Affenhaus stürmt, wird er munter. Brüllend setzt er sich an eine der Glasscheiben und guckt, wer da gekommen ist.

Max Planck

Max Planck wurde am 23. April 1858 in Kiel in eine Gelehrtenfamilie hineingeboren. Plancks Hauptarbeitsgebiete waren die Strahlungstheorie und die Thermodynamik. Mit der von ihm begründeten Quantentheorie wurde die Physik grundlegend umgestaltet. Mittlerweile gibt es 78 Max-Planck-Institute, die vor allem natur-, sozial- und geisteswissenschaftliche Grundlagenforschung betreiben. Keine Universität oder wissenschaftliche Einrichtung hat bisher mehr Nobelpreisträger hervorgebracht als die Max-Planck-Gesellschaft. Der prominenteste von ihnen ist Max Planck selbst, dem der Preis 1918 zuerkannt wurde.

Einige Meter weiter dösen ein paar Bonobos. "Guck mal, der zeigt seinen Puller", ruft eins der Schulkinder begeistert und seine Lehrerin erklärt: "Der zeigt den nicht, der hat nur keine Hose an." In einem Gehege gegenüber der Bonobos hocken aber tatsächlich zwei Wesen, die in Latzhosen gekleidet sind. Es sind Wissenschaftlerinnen des Leipziger Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie. Sie haben Computerbildschirme in dem Gehege aufgestellt und beobachten, wie ein Schimpanse damit umgeht. Ein Experiment in der Pilotphase, erklärt Forschungskoordinator Daniel Hanus. "Dabei geht es darum, den Touchscreen zu etablieren. Die Affen sollen sich mit dem neuen Instrument erst mal vertraut machen, so dass wir das Verfahren in Zukunft bei anderen Versuchen anwenden können."

Nur Zuckerbrot, keine Peitsche

Damit die Affen bei den Versuchen mitmachen, werden ihnen verschiedene Belohnungen in Form von Nahrungsmitteln in Aussicht gestellt. Bestrafungen gibt es genauso wenig wie Versuche, die zu sehr gegen die normalen Lebensbedingungen der Menschenaffen verstoßen würden.

Seit elf Jahren gibt es das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, und seitdem hat es zahlreiche Forschungsergebnisse ans Licht gebracht. "Wir wollen herausfinden, wo genau die Unterschiede bei den geistigen Fähigkeiten liegen, zwischen uns und unseren nächsten Verwandten", sagt Daniel Hanus. "Bisher haben wir festgestellt, dass sich die größten Unterschiede eher im sozialen Bereich befinden, und nicht so sehr im technischen und physikalischen."

So haben die Wissenschaftler beispielsweise erforscht, dass Schimpansen im Gegensatz zum Menschen, nicht bereit sind, faire Angebote zu machen und unfaire abzulehnen. Bei dem Versuch wurde ein Schimpanse vor verschiedene Schubladen mit Rosinen gesetzt, an die er nur mit Hilfe eines zweiten Schimpansen kam. In der Versuchsreihe konnte er sich mal dafür entscheiden, dass er und sein Artgenosse gleich viele Rosinen bekommen, mal dafür, dass der zweite Schimpanse mehr oder weniger Rosinen bekommt als er selbst. Im Gegensatz zu Menschen haben die Schimpansen fast jedes Angebot akzeptiert - also auch die unfairen. Das beweist, dass die Tiere genauso handeln, wie es traditionelle ökonomische Modelle bei Menschen vorhersagen - rational und eigennützig.

In erster Linie wollen die Wissenschaftler bei diesen Versuchen Erkenntnisse darüber gewinnen, wie kulturelles Lernen im Ursprung funktioniert. Sie wollen herausfinden, wie die Menschen zu ihren kognitiven Fähigkeiten kommen, etwa zu ihrer Kreativität oder Vorstellungskraft.

Der winzige Unterschied

Bei Untersuchungen mit Kleinkindern und Menschenaffen haben die Forscher jetzt festgestellt, dass sich die Theorie von der generellen Intelligenz des Menschen nicht bewahrheitet. Die Kinder waren zwar immer dann besser, wenn sie sich Lösungen abschauen und diese kopieren konnten. Bei Problemen, bei denen sie ein Werkzeug benutzen mussten, haben die Kinder in der Regel damit gespielt, während die Affen schnell zu einer Lösung kamen. "Da die Kinder bei solch vermeintlich einfachen Aufgaben schlechter abschneiden als die Schimpansen, können sie nicht generell intelligenter sein", erklärt Projektleiter Michael Tomasello.

Bei all den offenkundigen Abweichungen zwischen Menschen und Menschenaffen ist es umso erstaunlicher, wie ähnlich sich diese Lebewesen gleichzeitig sind. "Der Unterschied im genetischen Material eines Menschen und eines Schimpansen beträgt nur 1,6 Prozent", sagt Daniel Hanus. Die restlichen 98,4 Prozent seien identisch. "Damit ist die Ähnlichkeit größer als bei einem Löwen und einem Tiger."

Durch die Versuche mit den Menschenaffen finden die Wissenschaftler auch viel über deren Lebensweise heraus und können Beschäftigungsprogramme für Affen in Gefangenschaft entwerfen. Manchmal klappt das aber nicht ganz so, wie geplant: Beispielsweise bei einer Testapparatur, bei der die Affen Wasser in eine Röhre füllen sollten, um an die darin enthaltene Erdnuss zu kommen. Ein Schimpansenmännchen entdeckte dabei eine interessante Alternativlösung. "Er hat einfach in die Röhre gepinkelt und damit den gleichen Effekt erzielt", berichtet Hanus. "Das fand ich eine spannende Form von Wissenstransfer."

Der Zoo ist kein Elfenbeinturm

In allen Max-Planck-Instituten betreiben Forscher zu 100 Prozent Grundlagenforschung, die oft als praxisfernes Experimentieren im Elfenbeinturm der Wissenschaft gilt. Was die jungen Leipziger Wissenschaftler im Leibziger Zoo untersuchen, erinnert allerdings wenig an Elfenbeintürme. Außerdem sind die Forscher der Max-Planck-Institute nach eigener Einschätzung oft freier in ihrer Arbeit als die Kollegen aus der angewandten Forschung. Ohne wirtschaftlichen Druck von außen können sie all den Rätseln nachgehen, mit denen sich Anwendungsforscher mangels Problembezug nicht beschäftigen.

Als Vorbild gilt ihnen dabei nach wie vor Max Planck. Denn auch der weltberühmte Physiker wollte Rätseln nachgehen, ohne dabei ein konkretes Ziel vor Augen zu haben. Auch er hat Rechtfertigungsdruck erlebt. Planck entschied sich für ein Physikstudium in München, obwohl ihm ältere Physiker davon abrieten. Ihrer Meinung nach war das Gebiet schon Ende des 19. Jahrhunderts komplett erforscht. Spätestens als Planck 1918 den Nobelpreis bekam, hat niemand mehr an der Wichtigkeit seiner Untersuchungen gezweifelt.

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