Mit Bestürzung und scharfer Kritik ist der Abschuss von Braunbär Bruno in Bayern bei Natur- und Tierschützern aufgenommen worden. "Das ist die dümmste aller Lösungen", sagte Präsident Hubert Weinzierl vom Deutschen Naturschutzring. "Ich bin tief traurig darüber." Auf internationaler Ebene kämpfe man für den Schutz bedrohter Arten wie Tiger, Elefant und Nashorn, schaffe es aber nicht, mit dem ersten Bären in Deutschland klarzukommen, kritisierte Präsident Olaf Tschimpke vom Naturschutzbund Nabu. Präsident Fulco Pratesi vom der Umweltorganisation WWF Italien sprach von einem "Akt der Barbarei".
"Er war sofort tot", sagte der bayerische Umweltstaatssekretär Otmar Bernhard und ergänzte, Bruno sei schmerzlos erlegt worden. Zur Identität der drei Jäger und zu den näheren Umständen des Abschusses wollte sich Bernhard nicht äußern. Es gibt nach Ministeriumsangaben bereits Morddrohungen gegen die Schützen und gegen Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf (CSU).
Verfügung zum Abschuss war in Kraft
Noch so bohrende Fragen nach der Identität der Bärenjäger ließ der Staatssekretär unbeantwortet. Auch zu Vermutungen, an der Jagd sei ein Polizeibeamter beteiligt gewesen, äußerte sich Bernhard nicht. "Es sind Jagdkundige, und dabei bleibt es", ergänzte lediglich Ministeriumssprecher Roland Eichhorn. Zur Art und dem Kaliber der Waffe sagte ein Vertreter des Miesbacher Landratsamtes, es habe sich um ein hochwildtaugliches Gewehr gehandelt.
Bernhard ließ keinen Zweifel daran, dass die amtliche Verfügung zum Abschuss von Bruno zum Todeszeitpunkt bereits in Kraft gewesen sei. Die Allgemeinverfügung sei veröffentlicht und damit gültig gewesen, sagte der CSU-Politiker. Er rechtfertigte den Abschuss des Tieres zum jetzigen Zeitpunkt mit "Drohgebärden gegenüber Wanderern". Bruno habe sich in voller Größe auf die Hinterbeine aufgerichtet. "Die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenstoßes war deutlich gestiegen", heißt es in der Mitteilung des Ministeriums. "In Abwägung der Sicherheit und des Artenschutzes blieb keine andere Möglichkeit", so Bernhard in Schliersee.
"Im Naturschutz ist Deutschland Kreisklasse"
Es könne nur gehofft werden, dass nun Brunos Artgenossen einen Bogen um Deutschland machen, sagte Weinzierl. "Bären der Welt, meidet Bayern." Der Freistaat Bayern, der sich gerne als führend im Naturschutz darstelle, sei damit "auf lange Zeit belastet". Tschimpke sagte: "Im Fußball sind wir auf dem Weg, Weltmeister zu werden, im Naturschutz aber nur Kreisklasse." Die Behörden hätten beim ersten in Bayern eingewanderten Bären besonnener reagieren müssen und nicht gleich in Panik verfallen dürfen. Mit dem Abschuss sei "den Arten- und Wildtierschutzbemühungen in Deutschland im wahrsten Sinne des Wortes ein Bärendienst erwiesen worden".
Der italienische Naturschützer Pratesi betonte, dass Bruno Ergebnis eines Projekts zur Artenerhaltung gewesen sei - ein wieder in die Natur integriertes Exemplar aus dem Projekt Life Ursus im Adamello-Brenta-Park in Südtirol. "Wir vom WWF bemühen uns um die Artenerhaltung. Andere, andernorts, schießen einfach und zerstören jahrelange Arbeit", kritisierte Pratesi. Generalsekretär Michele Candotti vom italienischen WWF sagte: "Es gibt keine Rechtfertigung für das, was heute im Morgengrauen passiert ist. Jagd auf einen Bären ist Zeichen einer Niederlage. Es gibt andere bewährte technische Maßnahmen, um Bären von bewohnten Gegenden fernzuhalten."
Kein Platz für Bären in Europa?
In Österreich löste die Abschussaktion unterschiedliche Reaktionen aus. "Persönlich tut es mir leid", sagte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel in Wien. Allerdings gelte es abzuwägen, "wenn die Gefahr täglich größer wird und möglicherweise auch dem Menschen Gefahr durch den Bären droht". Der Tiroler Landesrat Anton Steixner, der den Bären wie Bayern zum Abschuss freigegeben hatte, reagierte erleichtert: "Ich bin froh, dass das Thema erledigt ist."
"Die Entscheidung der bayerischen Landesregierung halten wir für falsch, da sie nur auf der Grundlage der Tatsache, dass der Bär sich menschlichen Siedlungen nähert, getroffen wurde", sagte Geschäftsführer Gabriel Schwaderer von der internationalen Umweltstiftung Euronatur. "Wenn dies zum Maßstab für das Lebensrecht von Braunbären wird, sehen wir für Bären in Europa schwarz."
Aufklärung der Bevölkerung
Alle bisher veröffentlichten Berichte belegen nach Auffassung von Euronatur nicht, dass Bruno in den letzten Wochen zunehmend an Scheu vor Menschen verloren habe, erklärte Schwaderer. Es sei zwar richtig, dass Bären in der Regel nicht so häufig in menschlichen Siedlungen auftauchen. Aber als Beleg dafür, dass Bruno eine Gefahr für Menschen gewesen sei, könne dies allein nicht gewertet werden. Schließlich habe der Bär bei den bekannt gewordenen direkten Begegnungen mit Menschen immer sofort die Flucht ergriffen. Nach Ansicht von Euronatur und Nabu hätte man dem Bären mit gezielten Vergrämungsaktionen wie dem Beschuss mit Gummikugeln mehr Menschenscheu beibringen müssen.
Andere Länder machten es vor, dass ein Nebeneinander von Bär und Mensch möglich sei, betonte Landesvorsitzender Hubert Weiger vom Bund Naturschutz in Bayern (BN). Bedauerlicherweise sei nicht alles versucht worden, um den Bären zu retten und in Bayern einzugliedern, sagte Weiger im ARD-Mittagsmagazin. Dies sei besonders bedauerlich, weil "Bruno" sich keineswegs gefährlich gezeigt habe. Dringend nötig sei eine Aufklärung der Bevölkerung, wie man mit großen Wildtieren umzugehen habe.
Blamage für Bayern
"Einerseits bedauern wir die Tötung des Bären, auf der anderen Seite sind wir froh, dass keine Personenschäden zu beklagen waren", sagte Präsident Jürgen Vocke vom Landesjagdverband Bayern. "Das war eine hinterhältige Nacht- und Nebelaktion, ohne Rücksicht auf Artenschutz und Gesetze", kritisierte dagegen Präsident Manfred Fleischer vom Tierschutzbund Bayern. "Bruno hat keinem Menschen Leid zugefügt. Mit dem Abschuss von Bruno ist Bayern an das Ende der Artenschutzskala zurückgerutscht. Das ist eine Blamage für Bayern." Für die Landtags-Grünen erklärte der Abgeordnete Christian Magerl: "Das Umweltministerium hat seine erste Bewährungsprobe im Umgang mit einem wilden Bären gründlich vergeigt."
Nach seiner genetischen Untersuchung soll Bruno präpariert und im Münchner Museum "Mensch und Natur" ausgestellt werden.