Wer wissen will, wie es mit den Impfungen gegen das Coronavirus vorangeht, kann sich unter anderem über das Impf-Dashboard des Bundesgeunsheitsministeriums informieren. Den Angaben zufolge haben bisher 63 Prozent der Bevölkerung in Deutschland ihre erste Impfung erhalten, 56 Prozent sind vollständig geimpft (Stand: 13. August 2021, 12.30 Uhr). Die Zahlen basieren auf Daten des Digitalen Impfquotenmonitorings (DIM) des Robert-Koch-Instiuts (RKI).
Vergangenen Dienstag meldete das RKI allerdings Zweifel an den bisher veröffentlichten Daten. Diese seien mit einer "gewissen Unischerheit" behaftet. Vor allem unter jungen Erwachsenen und Erwachsenen im mittleren Alter könnten demnach schon mehr Menschen eine erste Impfung erhalten haben als offiziell bestätigt. Das RKI räumte ein, die Impfquote bisher möglicherweise unterschätzt zu haben.
Intensivmediziner aus ganz Deutschland hatten deshalb eine unabhängige und repräsentative Umfrage zum Stand der Impfungen gefordert. "Das Impfen ist der entscheidende Erfolgsfaktor der Pandemie. Wir müssen alles dafür tun, das Vertrauen in die Impfkampagne zu stärken", sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Gernot Marx, den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Donnerstag. Das RKI plant nun weitere Umfragen, um die Daten zu überprüfen. Aber wie werden diese Daten genau erhoben? Ein Überblick.
Wie werden die Corona-Impfungen in Deutschland gezählt?
Laut Bundesgesundheitsministerium gibt es in Deutschland kein Impfregister. Wie viele Menschen geimpft wurden, wird täglich in Krankenhäusern, Impfzentren, durch Ärzte mobiler Impfteams und von niedergelassenen Ärzten mit Kassenzulassung im Digitalen Impfmonitoring (DIM) des RKI dokumentiert. Seit Neuestem können auch Betriebsärzte die Daten dort eintragen. Sie werden täglich an die Bundesdruckerei übermittelt und zwischengespeichert. Für Bürger sind die Zahlen über das Covid-19-Impf-Dashboard des Bundesgesundheistministeriums oder auf der Seite des RKI verfügbar.
Wie aktuell sind die Daten?
Die Daten des DIM werden täglich an das RKI übermittelt. Laut Gesundheitsministerium werden die im Impf-Dashboard bereitgestellten Daten werktäglich aktualisiert und beziehen sie immer auf den Vortag. Das Ministerium weist zudem darauf hin, dass es Verzögerungen bei der Übermittlung geben kann und die aktuellen Daten Nachmeldungen und Korrekturen der Vortage enthalten können.
Werden Erst- Zweit- und vollständig Geimpfte unterschiedlich erfasst?
Personen, die mindestens eine Dosis eines Impfstoffs verabeicht bekommen haben, gelten als Erst-Geimpfte. Wer bereits die zweite Dosis erhalten hat, wird im DIM als Zweit- und vollständig Geimpfter geführt. Da jede Impfung einzeln gezählt wird, entspricht die Zahl der tatsächlich durchgeführten Impfungen nicht der der vollständig geimpften Personen. Allerdings gilt diese Regelung nur für Impfungen mit Vakzinen von Moderna, Astrazeneca und Biontech/Pfizer.
Für Personen, die den Impfstoffs von Johnson & Johnson erhalten haben, gelten andere Regeln. Da hier nur eine einzige Impfung nötig ist, werden Geimpfte sowohl als Erst-, als auch als vollständig Geimpfte gezählt. Genauso wird mit Genesenen verfahren, da bei ihnen ebenso eine Dosis für den vollständigen Impfschutz als ausreichend angesehen wird. Auch hier entspricht die Zahl der vollständig Geimpften nicht der der Zweitimpfung.
Warum werden die bisherigen Impfquoten als unsicher eingestuft?
Neben dem DIM beruft sich das RKI auf Daten der Covimo-Studie. Dabei handelt es sich um eine regelmäßige Befragung der deutschen Bevölkerung zur Corona-Impfung. Themen der Befragung sind neben den Gründen für oder gegen die Impfung sowie der Impfakzeptanz und dem Wissen über die Corona-Impfung auch der eigene Impfstatus.
Die Ergebnisse der jüngsten Befragung – durchgeführt zwischen Ende Juni und Mitte Juli unter 1000 Personen zwischen 18 und 59 Jahren – brachten das RKI zu dem Schluss, dass die Daten des DIM die tatsächliche Zahl der Geimpften unterschreiten. Während bei der Erhebung 79 Prozent der Erwachsenen unter 60 Jahren angaben, mindestens einmal geimpft zu sein, waren es laut Meldesystem 59 Prozent. Die Autoren weisen darauf hin, dass bei der Interpretation der Ergebnisse beider Quellen eine "gewisse Unsicherheit" zu berücksichtigen sei.
Wie kommen die unterschiedlichen Ergebnisse zustande?
Im Report führen die Autoren unterschiedliche Erklärungsansätze an. Ein Grund sei, dass bisher nur etwa die Hälfte der beim Meldesystem registrierten Betriebsärzte Impfungen über die Webanwendung gemeldet hätten. "Dies könnte ein Hinweis auf eine Untererfassung der Impfquoten durch DIM sein", schreiben die Autoren.
Ein weiterer Punkt ist die Erfassung der Impfungen mit Johnson & Johnson, bei denen im Unterschied zu den anderen Herstellern nur eine Dosis für den vollen Schutz vorgesehen ist. Vertragsärzte hätten diese Immunisierungen ausschließlich als zweite Impfdosen gemeldet, zudem sei keine Zuordnung von Impfstoff und Altersgruppe möglich, erläutert das RKI. In den DIM-Daten findet sich mittlerweile ein Hinweis, dass die nach Altersgruppe aufgeschlüsselten Impfquoten der mindestens einmal geimpften Erwachsenen "systematisch zu niedrig ausgewiesen" würden.
Die RKI-Autoren diskutieren weitere denkbare Einflussfaktoren: etwa potenzielle Verzerrungen in der Befragung, die zu einer Überschätzung der Quote führen könnten. So sei etwa anzunehmen, dass Menschen, die Impfungen befürworten, eher mitmachen als Verweigerer. Auch Menschen ohne ausreichende Deutschkenntnisse hätten nicht an den Interviews teilnehmen können. Für beide Aspekte geben die Autoren aber zu bedenken, dass dann auch bei den vollständig Geimpften eine größere Abweichung zwischen den Quellen hätte auftreten müssen.
Haben die Ergebnisse Auswirkungen auf die Interpretation der Impfquote?
Das RKI geht davon aus, dass bereits mehr junge Erwachsene und Erwachsene im mittleren Alter geimpft sein könnten, als die Daten des offiziellen Meldesystems bisher zeigen. Allerdings seien die Ergebnisse kein Grund, die Impfquote generell in Frage zu stellen, teilte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, der Deutschen Presse-Agentur mit.
"Wir unterschätzen womöglich die Zahl der Erstgeimpften etwas, aber wir sprechen hier über wenige Prozentpunkte." Die angenommene Unterschätzung bei mindestens einfach Geimpften ändere auch nichts an der Tatsache, dass die Anzahl verabreichter Impfungen zuletzt tatsächlich zurückgegangen sei und immer noch nicht genug Leute geimpft seien. Das RKI kündigte bereits eine zusätzliche Umfrage an, um den Impffortschritt zu prüfen.