Pro längere Laufzeit Lasst die Meiler länger laufen! Wir werden jeden Fitzel Energie brauchen

Atomausstieg: Das Atomkraftwerk Isar 2 vor einer Scheune mit Solar-Anlage
Auch das Atomkraftwerk Isar 2 steht vor der Abschaltung. Der Atomausstieg würde Deutschlands Energiekrise nochmals verschärfen
© Armin Weigel / DPA
Der geplante Atomausstieg war wichtig und richtig – doch nun haben sich die Vorzeichen geändert. Sollten wir die AKWs tatsächlich zum Ende des Jahres abschalten, wäre das ein Schuss ins eigene Knie.

Dieser Text ist Teil eines Pro und Kontras zur Frage, ob Deutschland angesichts der drohenden Energiekrise die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängern sollte. Die Gegenmeinung lesen Sie hier.

Der Krieg in der Ukraine tobt weiter, Strom- und Gaspreise steigen in nicht gekannte Höhen und die Bundesregierung hält einen Energienotstand im Winter für möglich. Trotzdem wollen viele Mitglieder des Kabinetts am Atomausstieg zum Ende des Jahres festhalten. Fast wie ein Mensch, der gerade verdurstet, auf einen Schluck Wasser verzichtet, den er selbst noch in der Flasche hat, weil ihm die Marke nicht passt.

Atomausstieg: Wir werden jeden Fitzel Energie brauchen!

Nun ist es natürlich nicht so, dass ein Schluck Wasser den Verdurstenden retten würde. Und genauso würde uns eine längere Laufzeit der AKWs das Energieproblem, das auf uns zurollt, nicht lösen. Zurecht weisen alle Experten darauf hin, dass wir im Winter vor allem ein Gas- und kein Stromproblem haben werden. Aber warum sollen wir uns ein mögliches zweites Problem schaffen, indem wir die Meiler jetzt abschalten? Der Atomausstieg war die richtige Entscheidung. Doch es war eine richtige Entscheidung in Friedenszeiten. Es war eine richtige Entscheidung in einer Zeit in der kein Energieengpass zu erwarten war – eine langfristige Lösung. Jetzt aber müssen wir kurzfristig denken, so schwer es auch fällt. 

Wirtschaftsminister Robert Habeck forderte kürzlich alle Bundesbürgerinnen und Bürger dazu auf, Energie zu sparen. Es ginge um "jede Kilowattstunde". Die Energie dann aber nochmal zu verknappen, weil man nicht bereit ist, trotz dieser Extremsituation auf seine Prinzipien zu verzichten, ist fatal falscher Ansatz.

Nur erneuerbare Energien werden unser Problem in den kommenden Jahrzehnten lösen können, doch sie werden uns in den nächsten Monaten nicht helfen. Deswegen müssen wir jetzt auf die Zähne beißen und von allen schlechten Alternativen die beste wählen. Es gibt derzeit keine Luxusvariante, mit der wir zufrieden sein können. Schon gar nicht mit der Alternative, unsere Umwelt mit Kohlekraftwerken weiter zu belasten. 

Verlängerte AKW-Laufzeiten gegen ein Tempolimit: Ein fairer Deal

Spätestens jetzt müssen die Grünen, die sich aus sehr ehrbaren Gründen immer für den Atomausstieg eingesetzt haben, einen Schritt auf ihre Koalitionspartner zugehen. Und vielleicht können sie und wir alle sogar davon profitieren. Ein Vorschlag wie etwa von Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn, die Atomkraftwerke befristet weiterlaufen zu lassen und im Gegenzug vielleicht doch noch ein Tempolimit auf der Autobahn zu verabschieden, klingt vielleicht nach einem Kuhhandel. Doch damit wäre allen geholfen. 

Wir werden es vermutlich nicht schaffen, unseren Gasvorrat soweit aufzufüllen, dass er für den Winter reichen wird. Das Spukgespenst der kalten Wohnung ist also keineswegs so unrealistisch. Bleibt die Frage, wie wir es dann schaffen, doch noch ein bisschen Wärme in Küche und Wohnzimmer zu bekommen. Eine mögliche Antwort geben jetzt schon die gestiegenen Verkaufszahlen von strombetriebenen Wärmestrahlern. 

Wir werden den Strom im kommenden Winter brauchen. Die verbliebenen Atomkraftwerke müssen ihren Beitrag dazu leisten. Auch wenn die Kosten-Nutzen-Rechnung den meisten BWLern Schweiß auf die Stirn treiben wird.