Um 21 Uhr US-Ostküstenzeit wird Joe Biden seine erste Rede vor dem Kongress halten – gut 100 Tage nach Amtsantritt. Bei der gemeinsamen Sitzung der beiden Parlamentskammern, dem Repräsentantenhaus und dem Senat, wird der US-Präsident eine erste, mutmaßlich positive Bilanz ziehen und einen Ausblick auf seinen nicht eben kleinen Reformkatalog geben. Dieses Mal wird die traditionelle Ansprache anders sein als sonst: Wegen der Corona-Pandemie ist die Zahl der Zuhörer strikt begrenzt, erstmals stehen hinter dem Staatsoberhaupt zwei Frauen (Vizepräsidentin Kamala Harris und die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi) und dann fehlt der "Designated Survivor", der "vorbestimmte Überlebende", der für den Fall der Katastrophe das höchste Staatsamt übernimmt.
16 Regierungs- und Kongressmitglieder müssten in den USA ums Leben kommen, bevor dem Land die Staatsoberhäupter ausgehen. So lässt sich, etwas umständlich formuliert, der "Presidential Succession Act" zusammenfassen, der regelt, wer US-Präsident wird, falls der gewählte Amtsinhaber ausfällt – durch den Tod etwa. Oder dessen oder deren Nachfolger oder Nachfolgerin. Aktuell ergibt sich aus dem Gesetz von 1947 eine Liste von 16 Menschen, die anstelle Joe Bidens die Regierungsgeschäfte übernehmen würden: Ganz oben steht natürlich Vizepräsidentin Kamala Harris, gefolgt von der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Die Finanzministerin wäre als fünfte Nachrückerin früher dran als der Landwirtschaftsminister (9.) und der Verkehrsminister auf Platz 14. Und dann gibt es noch das äußerst unwahrscheinliche Szenario, dass alle ausfallen.
Er war der "Designated Survivor"
Spezialist für abseitige, aber aufsehenerregende Szenarien dieser Art ist Schauspieler Kiefer Sutherland. In der Serie "Designated Survivor" spielt er den Wohnungsbauminister Tom Kirkman, der bei einer bei der Präsidentenansprache als "vorbestimmten Überlebender" auserkoren ist. Von außerhalb des Kapitols erlebt er, wie sämtliche US-Abgeordnete und Regierungsmitglieder bei einem Anschlag auf das Kongressgebäude ums Leben kommen. Und so muss der Mann aus der 3. Regierungsreihe fortan das Land regieren, was er natürlich heldenhaft meistert. Hollywood hat den Ausfall des nahezu gesamten US-Regierungsapparats als gigantische Verschwörung inszeniert – was die Geschichte spektakulärer aber nicht unbedingt glaubwürdiger macht.
Nichtsdestotrotz wird bei Präsidentenauftritten vor dem Kongress ein Kabinettsmitglied als "Designated Survivor" an einem sicheren Ort untergebracht. Dieses Jahr allerdings nicht. Und der Grund ist simpel: "Es gibt keinen Bedarf für einen 'vorbestimmten Überlebenden', da die Regierungsmitglieder die Rede von ihren Büros oder von zu Hause anschauen werden", sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki jetzt. Wegen den Corona-Maßnahmen sind nur 200 Zuschauer im Kapitol zugelassen, vier von ihnen kämen für eine Staatsoberhauptnachfolge in Betracht: Harris, Pelosi, Senatssprecher Patrick Leahy und Außenminister Antony Blinken. Ersatz gäbe es also auch für den schlimmsten Fall genug.
Quellen: Yahoo News, US-Senat, Deadline.com