Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen haben einige tausend Menschen am Samstag in der russischen Hauptstadt Moskau gegen die ihrer Meinung nach zunehmend autoritäre Politik von Präsident Wladimir Putin protestiert. Nach Ende der Kundgebung kam es zu kleineren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die Einsatzpolizei Omon führte nach Angaben eines Rundfunksenders bis zu 40 jungen Menschen ab.
"Dies ist ein Marsch freier Menschen", hatte der frühere Schachweltmeister Garri Kasparow zu Beginn der Kundgebung gesagt. "Wir wollen keinen Polizeistaat mehr." Tausende Polizisten riegelten den als Kundgebungsort genehmigten Triumph-Platz im Stadtzentrum ab, ohne Teilnehmern jedoch den Zutritt zu verwehren.
Ausnahmezustand im Stadtzentrum
Neben Kasparow hatten sowohl liberale Parteien als auch radikale Gruppierungen zum "Marsch der Dissidenten" aufgerufen. Sie alle vereine die Kritik an Putin, der die Bürgerrechte im Land einschränke, sagte eine Rednerin. Der Radiosender "Echo Moskwy" berichtete, die Polizei habe auch einen führenden Politiker der liberalen Partei Union der rechten Kräfte festgenommen.
Im gesamten Moskauer Stadtzentrum glich die Lage einem Ausnahmezustand. An Kreuzungen waren Wasserwerfer, Polizeibusse sowie kommunale Schneeräumfahrzeuge positioniert. Über der Stadt flogen Polizei-Hubschrauber. In den Regionen häuften sich die Beschwerden von Kremlkritikern, die von der Polizei an der Reise nach Moskau gehindert würden.
Deutliche Worte gegen Gerhard Schröder
In einem Interview der "Bild am Sonntag" forderte Kasparow von Kanzlerin Angela Merkel deutliche Worte an die russische Regierung. "Wenn Menschenrechte verletzt werden, sollte sie das ansprechen", sagte er laut Vorabmeldung. Schließlich habe der Westen auch nicht gegenüber der Sowjetunion geschwiegen und bezeichne die kommunistische Regierung in China nicht als Demokraten.
Deutschland übernimmt im kommenden Jahr den Vorsitz der EU und der G-8-Staaten. In diesem Zusammenhang forderte Kasparow den Ausschluss von Russland aus der G-8-Grupe. "Russland hat da nichts verloren. Russland gehört nicht zu den großen demokratischen Industrienationen. Russland ist weder eine Demokratie noch ökonomisch stark genug für eine solche Mitgliedschaft." Kasparow kritisierte auch Ex-Kanzler Gerhard Schröder, der Präsident Wladimir Putin als "lupenreinen Demokraten" bezeichnet hatte. Dies schwäche die Opposition.
Schikanen im Wahlkampf
Seitdem Kasparow sich aus dem Schachsport zurückgezogen hat, stürzt er sich in seiner Heimat in die große Politik. Unermüdlich wirbt er im Riesenreich für seine Vision eines neuen Russlands mit "echter" Demokratie und Marktwirtschaft. "Im Putinschen Russland haben wir ein Marionetten-Parlament, Marionetten-Gerichte und Marionetten auf den Fernsehbildschirmen, die allesamt vom Kreml geführt werden", beschreibt Kasparow den politischen Alltag in Russland.
Der Staatsmacht ist der provokative Prominente seit langem ein Dorn im Auge. Als Kandidat für die Präsidentenwahl 2008 muss Kasparow vor allem in den Regionen den Widerstand der Bürokratie überwinden, wenn auf seinen Veranstaltungen der Strom ausfällt, ihm Säle verweigert oder Kundgebungen verboten werden.
Angriff mit Schachbrett
In Umfragen ist die Zustimmung für Kasparow verschwindend gering. Beobachter führen das zum Teil auf den Umstand zurück, dass Kasparow von den Staatsmedien - wie alle anderen Oppositionspolitiker auch - ignoriert wird. Der unbequeme Schachweltmeister ist zur Zielscheibe von kremltreuen Jugendorganisationen geworden. Im April 2005 griff ein fanatischer Student Kasparow ausgerechnet mit einem Schachbrett an. Trotz einer leichten Kopfverletzung verlor Kasparow nicht den Humor. "Wie gut, dass in der Sowjetunion Schach populär war und nicht Baseball", sagte Kasparow damals.