Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr Taliban wollen Deutsche weiter angreifen

Nach dem Tod von drei deutschen Soldaten haben die Taliban damit gedroht, die Bundeswehr verstärkt anzugreifen. Eine deutsche Einheit hatte zudem irrtümlich afghanische Sicherheitskräfte getötet.

Nach dem Tod von drei Bundeswehrsoldaten in der Region Kundus haben die radikalislamischen Taliban gedroht, die deutschen Einheiten in Afghanistan verstärkt ins Visier zu nehmen. "Sollten die Deutschen weiterhin in Afghanistan bleiben, werden sie weitere Todesopfer erleiden", sagte Sabiullah Mudschahid, ein Sprecher der Taliban. Die Taliban hätten die Bundesregierung und den Bundestag gewarnt, sie sollten die Bundeswehr aus Afghanistan abziehen, sagte Mudschahid. "Aber sie haben nicht gehört." "Wir haben kein Problem mit Deutschland. Afghanistan und Deutschland haben historische Beziehungen. Deshalb sollte Deutschland Afghanistan weiter helfen und damit aufhören, die Invasionstruppen zu unterstützen", erklärte er in Anspielung auf den Sturz des Taliban- Regimes nach dem Einmarsch des US-Militärs Ende 2001.

Versehntlich Verbündete erschossen

Nur wenige Stunden nach dem Tod von drei deutschen Soldaten bei Gefechten im Norden Afghanistans haben Bundeswehrsoldaten aus Versehen mehrere afghanische Sicherheitskräfte erschossen. Nach Angaben des Einsatzführungskommandos in Potsdam starben dabei am Freitagabend in der Nähe von Kundus fünf afghanische Soldaten, nach Angaben eines afghanischen Provinzgouverneurs waren es sechs.

"Die deutschen Soldaten eröffneten das Feuer auf ein Fahrzeug der afghanischen Armee und töteten sechs Soldaten", sagte Gouverneur Mohammad Omar der Nachrichtenagentur DPA. Nach Angaben der Bundeswehr bewegten sich zwei zivile Kraftfahrzeuge am Freitagabend in der Nähe von Kundus auf eine Gruppe von Bundeswehrsoldaten zu. Die Afghanen hielten nicht an, um sich überprüfen zu lassen. Daraufhin eröffnete ein deutscher Schützenpanzer das Feuer auf eines der Fahrzeuge. Ein Sprecher der Bundeswehr sagte, man bedauere den Vorfall zutiefst. Das Geschehen werde überprüft.

Soldaten sollten Einheiten im Kampf ablösen

Der neue Zwischenfall ereignete sich nach Angaben der Bundeswehr, als deutsche Soldaten das Feldlager in Kundus verließen, um die seit Stunden in Gefechten mit Taliban-Kämpfern eingesetzten Kräfte abzulösen. Auf dem Weg zum Einsatzort fuhren die beiden zivilen Autos auf die Bundeswehr zu und hielten auch nach allen "von deutscher Seite durchgeführten Sicherheits- und Identifizierungsverfahren" nicht an. Erst später stellte sich heraus, dass es sich um zivile Fahrzeuge der afghanischen Armee gehandelt habe.

Zuvor waren bei einem Gefecht mit radikalislamischen Taliban drei deutsche Soldaten getötet worden. Es war das folgenschwerste Gefecht für die Bundeswehr seit ihrem Bestehen. Dabei waren auch acht Soldaten verletzt worden, vier von ihnen schwer. Die Kämpfe ereigneten sich im Bezrik Chahar Darra, etwa zehn Kilometer von der Stadt Kundus entfernt, wo die Bundeswehr einen wichtigen Stützpunkt unterhält. Nach Angaben des deutschen Verteidigungsministeriums bereiteten die Soldaten den Bau einer Brücke und eine Minenräumung vor, als aus umliegenden Häusern im Dorf Isa Khel, aus dem zehn der Toten des Tanker-Bombardements im September stammen sollen, das Feuer eröffnet wurde. Das Gefecht dauerte mehrere Stunden. Außerdem explodierte ein Sprengsatz unter einem gepanzerten Fahrzeug. Seit Beginn des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan 2002 sind dort 39 deutsche Soldaten getötet worden.

Guttenberg: Einsatz gefährlich, aber notwendig

Mit Bestürzung und Betroffenheit reagierten Regierung und Opposition auf den Tod der drei deutschen Soldaten reagiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte den "hinterhältigen Angriff" scharf. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) unterbrach angesichts der dramatischen Ereignisse seinen Osterurlaub in Südafrika. "Mit großer Betroffenheit habe ich heute von den gefallenen und verwundeten deutschen Soldaten in Afghanistan erfahren müssen", hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme des Ministers. "Angesichts von Gefechten dieses Ausmaßes wird deutlich, wie gefährlich der gleichwohl notwendige Einsatz in Afghanistan ist." Ähnlich äußerte sich Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP), der sich zurzeit bei der Bundeswehr in Kundus aufhält.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach den Angehörigen der in Afghanistan getöteten Soldaten seine Anteilnahme aus. "Ich verurteile diesen hinterhältigen Angriff, der sich nicht nur gegen deutsche Soldaten richtete, sondern auch gegen das ganze afghanische Volk", sagte Westerwelle am Freitag nach Angaben des Auswärtigen Amtes. "In diesem schweren Moment sind unsere Gedanken bei den Familien und Angehörigen der Opfer. Ihnen gilt unsere tief empfundene Anteilnahme." SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sprach von einem "feigen und hinterhältigen Anschlag". Die Linksfraktion im Bundestag verlangte den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.

Schwerverletzte werden noch heute ausgeflogen

Die vier bei den Kämpfen mit den Taliban schwer verwundeten Bundeswehr-Soldaten soll möglichst schnell nach Deutschland geflogen werden. Das werde voraussichtlich noch heute passieren, teilte das Einsatzführungskommando der Bundeswehr mit. Nach jetzigem Planungsstand soll die Maschine am Abend auf dem militärischen Teil des Flughafens Köln/Bonn landen. Insgesamt wurden bei dem mehrstündigen Gefecht mit etwa 200 Taliban-Kämpfern acht deutsche Soldaten verletzt.

Noch unklar ist bisher, wann die Leichen der drei getöteten Soldaten nach Deutschland überführt werden sollen. Bei den Männern handelt sich nach Angaben des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr um Mitglieder eines Verbands in Niedersachsen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (DPA) sind es Soldaten der in Oldenburg und Seedorf bei Zeven stationierten Luftlandebrigade 31. Dies wurde offiziell bisher aber nicht bestätigt.

DPA · Reuters
DPA/Reuters/APN/AFP