Afghanistan-Einsatz Nato-Chef will weiter hart gegen Taliban vorgehen

Großbritannien hat mehr als 200 tote Soldaten in Afghanistan zu beklagen, die Bevölkerung verlangt den sofortigen Rückzug. Nato-Generalsekretär Rasmussen zeigt sich dagegen weiterhin kämpferisch.

Die Zahl der getöteten britischen Soldaten in Afghanistan hat am Wochenende die Marke von 200 überschritten. Am Samstag starben innerhalb weniger Stunden zwei Soldaten des Königreichs am Hindukusch. Nachdem zunächst ein Soldat seinen Verletzungen erlag, die er bei einer Explosion mehrere Tage zuvor erlitten hatte, kam am Samstag ein weiterer Mann ums Leben. Ein Soldat, der am Donnerstag bei einer Explosion in der Provinz Helmand verwundet worden war, starb am Samstag in einem Krankenhaus in England. Premierminister Gordon Brown sprach von einer "zutiefst tragischen Nachricht". Damit sind seit Beginn des Einsatzes gegen die radikal-islamischen Taliban 201 britische Soldaten in Afghanistan ums Leben gekommen.

Mehr Tote als im Irak zu beklagen

Inzwischen sind in Afghanistan mehr britische Soldaten gefallen als im Irak, wo es 179 Tote gab. Die steigende Opferzahl hat in Großbritannien eine Debatte über den Einsatz entfacht. Ende des Monats hatte eine Umfrage gezeigt, dass 52 Prozent für einen sofortigen Abzug der Soldaten sind. 58 Prozent glaubten zudem, dass die Taliban mit militärischen Mitteln nicht zu besiegen sind. Trotz der zahlreichen Toten steht die Regierung weiter zum Afghanistan-Einsatz: "In diesen Zeiten des Kummers und der Trauer dürfen wir niemals vergessen, warum wir in Afghanistan sind und warum die Menschen diese Opfer bringen", sagte Premierminister Gordon Brown.

"Drei Viertel der Terror-Verschwörungen gegen Großbritannien haben ihren Ursprung in den Bergen von Pakistan und Afghanistan. Um Großbritannien und den Rest der Welt sicherer zu machen, müssen wir an unserer Entschlossenheit für ein stabiles Afghanistan festhalten", sagte er vor der am Donnerstag geplanten Präsidentschaftswahl. In Afghanistan sind etwa 9000 britische Soldaten stationiert, überwiegend in der Provinz Helmand im Süden des Landes.

Stabilisierung des Landes hat oberste Priorität

Auch Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bekräftigte angesichts die Entschlossenheit des Bündnisses im Kampf gegen die Taliban. "Das ist wirklich ein hoher Preis", heißt es in einer Erklärung Rasmussens zum Tod der britischen Soldaten. Mir ist dieser Verlust schmerzlich bewusst - ebenso wie jener der anderen Nationen, die an der Afghanistan-Schutztruppe Isaf beteiligt sind. Aber die Stabilisierung Afghanistans, um eine Rückkehr des uns alle bedrohenden Terrorismus zu verhindern, bleibt eine Aufgabe von kritischer Bedeutung.“

Noch in der vergangenen Woche forderte Rasmussen eine Aufstockung der Truppenzahl. Die Nato habe bei der Bekämpfung der Taliban zum Teil deswegen Fortschritte gemacht, weil die Zahl der in Afghanistan stationierten Soldaten erhöht worden sei. "Ich glaube, wir brauchen mehr Truppen", sagte der Nato-Chef dem britischen Sender BBC.

Der britische Einsatz in Afghanistan hatte im Oktober 2001 begonnen. Im Juli hatte Großbritannien mit 22 Todesopfern die schlimmsten Verluste innerhalb eines Monats hinnehmen müssen. "Auch in dieser Zeit der Trauer hoffe ich, dass die Menschen verstehen können, dass wir diese Verluste in einer Sache erleiden, die von entscheidender Bedeutung für die Sicherheit der 42 Isaf-Staaten ist", erklärte Rasmussen. Der Nato- Generalsekretär erklärte, es gehe darum, den Afghanen zu helfen, selbst für die Sicherheit in Afghanistan zu sorgen. "Die Entschlossenheit der Nato wird in den vor uns liegenden Monaten voller Herausforderungen stark bleiben."

Taliban wollen Wahllokale angreifen

Unterdessen haben die radikalislamischen Taliban erstmals offen gedroht, bei der Präsidentenwahl Wahllokale anzugreifen. Auf Flugblättern, die am Sonntag im Süden des Landes auftauchten, wurden die Einwohner vor einem Urnengang gewarnt. "Die geachteten Einwohner sollen darüber informiert werden, dass sie nicht an den Wahlen teilnehmen dürfen, weil sie sonst Opfer unserer Operationen werden", steht darauf geschrieben. Auch wurden Drohungen gegen Bewohner ausgesprochen, sollten diese ihr Eigentum für Wahllokale vermieten. Das Flugblatt wurde demnach von dem in Kandahar sitzenden Taliban-Führer Mullah Ghulam Haidar verfasst.

Gestern starben bei einem Anschlag vor dem NATO-Hauptquartier sieben Afghanen, über 90 weitere wurden verletzt. Auch fünf Isaf-Soldaten wurden verletzt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte das Selbstmordattentat als "feige Attacke gegen die Demokratie" in Afghanistan. Deutschland und die internationale Gemeinschaft würden Afghanistan auch weiterhin "nach Kräften" beim Wiederaufbau des Landes unterstützen. "Unsere Antwort auf diesen Anschlag lautet: Wir werden im Kampf gegen den Terrorismus nicht nachlassen, wir werden nicht weichen", sagte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) der "Welt am Sonntag". Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte den Anschlag.

Trotz der zunehmenden Taliban-Angriffe im Norden Afghanistans schätzt die SPD-Verteidigungsexpertin Ulrike Merten die Lage in dem Gebiet als "vergleichsweise ruhig" ein. "Die Wahrnehmung, dass der gesamte Norden zu einem Kampfgebiet geworden ist, ist falsch", sagte die Verteidigungsexpertin im Wahlkampfteam von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier.

Die Welthungerhilfe erhob schwere Vorwürfe gegen die Afghanistan-Politik der Bundesregierung. "Die Bundesregierung tat lange so, als wären in Afghanistan die deutschen Soldaten als Entwicklungshelfer im Einsatz", erklärte der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Wolfgang Jamann, in der "Bild am Sonntag". Die "zivil-militärische Zusammenarbeit" sei ein "Sündenfall". Eine Sprecherin des Bundesentwicklungsministeriums wies die Kritik zurück und verwies auf die getrennten Verantwortlichkeiten der einzelnen Ministerien. Die deutschen Entwicklungs- und Wiederaufbauhelfer lebten und arbeiteten deshalb außerhalb der Bundeswehrcamps, erklärte sie.

DPA
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