Ein deutscher Entwicklungshelfer ist nach einem Anschlag in Nordafghanistan an seinen schweren Verletzungen gestorben. Das teilte das Bundesentwicklungsministerium in Berlin mit. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) reagierten bestürzt. Beide sprachen von einem "feigen Anschlag".
Der Getötete war ein Berater der KfW Entwicklungsbank. Er war nach Ministeriumsangaben zusammen mit drei anderen Personen in einem Wagen in Nordafghanistan unterwegs. Bei Qhashqargan geriet das Auto unter Beschuss. Dabei wurde der Deutsche schwer verletzt. Ein afghanischer Mitarbeiter, der als Übersetzer arbeitete, zog sich leichte Verletzungen zu. Der Entwicklungshelfer wurde in das Bundeswehrcamp Marmal gebracht, wo er starb. Wann der Leichnam nach Deutschland zurückgebracht werden soll, war nach Angaben eines Ministeriumssprechers noch offen.
Auftrag: Koordination des Straßenbaus
Die Betroffenen waren Mitarbeiter eines Projekts, das den Bau einer Straße zwischen Kholm und Kundus koordiniert. Weitere Angaben zu dem Getöteten und zu dem Überfall konnte das Ministerium zunächst nicht machen. Einem Sprecher zufolge befinden sich derzeit mehrere hundert deutsche Entwicklungshelfer in Afghanistan.
Merkel sagte: "Die Arbeit unserer Entwicklungshelfer in Afghanistan ist für den Wiederaufbau des Landes von mitentscheidender Bedeutung. Der Anschlag zeigt einmal mehr die Skrupellosigkeit der Terroristen: Sie haben kein Interesse an einer besseren Zukunft des Landes, sondern wollen die Wiederherstellung einer menschenverachtenden Gewaltherrschaft." Der Anschlag unterstreiche deshalb auch die große Bedeutung der Ausbildung einheimischer Sicherheitskräfte in Afghanistan für eine friedliche Zukunft des Landes.
"Taliban kämpfen gegen eigenes Land"
Entwicklungshilfeminister Niebel erklärte: "Der feige Anschlag, der sich gegen die Interessen der lokalen Bevölkerung richtet, zeigt einmal mehr die Gefahren auch des zivilen Wiederaufbaus in Afghanistan." Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte in einer Mitteilung, der Mord an dem Entwicklungshelfer zeige, wogegen sich der Aufstand der Taliban richte. "Sie kämpfen nicht gegen eine angebliche Besatzung. Sie kämpfen gegen die Entwicklung ihres eigenen Landes und die Verbesserung der Lebensbedingungen der eigenen Bevölkerung."
Der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, äußerte im Namen seiner Fraktion ebenfalls Mitgefühl mit den Angehörigen. "Entwicklungsarbeit lebt von dem Engagement und dem Mut von Menschen. Viel zu oft werden in der Öffentlichkeit die damit verbundenen Risiken vergessen", sagte er. Nach Ansicht Trittins zeigt der Anschlag, "wogegen sich der Aufstand der Taliban richtet". Er betonte: "Sie kämpfen nicht gegen eine angebliche Besatzung. Sie kämpfen gegen die Entwicklung ihres eigenen Landes und die Verbesserung der Lebensbedingungen der eigenen Bevölkerung."
Handelte der Entwicklungshelfer leichtsinnig?
Unterdessen wurde Kritik laut, der Entwicklungshelfer und sein Team hätten sich womöglich leichtsinnig verhalten. General Abdul Rauf Taj, stellvertretender Sicherheitschef der Provinz Balkh, sagte "Spiegel Online", er verstehe nicht, warum der Berater ohne Sicherheitsteam aufgebrochen sei. "Wir haben den Deutschen in den vergangenen Wochen mehrmals gewarnt, dass die Fahrten in die Region extrem gefährlich sind", sagte Taj. "Außerdem haben wir ihm Polizeischutz angeboten." Im Entwicklungshilfeministerium wies man den Vorwurf zurück. Der Sachverhalt müsse bewertet werden. Derzeit sei die Faktenlage aber noch zu dünn, um Mutmaßungen anzustellen.
Ausländische und einheimische Helfer in Afghanistan werden immer häufiger Opfer von Taliban-Übergriffen. Im September ist den Angaben zufolge eine britische Entwicklungshelferin im Osten des Landes entführt worden. Sie kam später bei einem missglückten Befreiungsversuch durch amerikanische Soldaten ums Leben. Ein deutscher Mitarbeiter eines internationalen Medizinerteams wurde im Nordosten Afghanistans getötet. Die Angriffe auf UN-Mitarbeiter hätten im zurückliegenden Jahr um mehr als 100 Prozent zugenommen.