"Lasst mich nur meinen Amtseid ablegen und die neue Regierung zu arbeiten beginnen. Danach packen wir sie am Kragen und lassen ihre Köpfe unter der Decke zappeln." Mit dieser Drohung gegen all jene, die immer noch Zweifel an seinem Wahlsieg äußern, hat Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad kürzlich einen Vorgeschmack auf seine zweite Amtszeit gegeben, die heute beginnt. Die Kader der gefürchteten Bassidsch-Miliz, deren Schlägertrupps die Demonstrationen der Opposition niedergeknüppelt haben, spendeten ihm dafür begeisterten Beifall.
Doch die martialischen Worte können die Schwäche des Regimes in Teheran kaum kaschieren. Nach dem Schwur auf den Koran, den Ahmadinedschad am Mittwochmorgen vor dem iranischen Parlament ablegt hat, wird im Gottesstaat keine Ruhe einkehren. Denn nun ist im konservativen Lager ein Bruderkampf ausgebrochen, der mit aller Härte ausgefochten wird. Dessen Ausgang ist für die Zukunft des Regimes womöglich entscheidender, als die Proteste auf den Straßen.
Ein Hardliner feuert den anderen
In Teheran war er einer der meist gefürchteten Hardliner: Gholamhossein Mohseni-Edschei. Der weißbärtige Mullah leitete das Geheimdienstministerium, in dessen Verliesen in den vergangenen Wochen Dutzende Demonstranten verschwunden sind. Von hier war auch eine Serie von Morden an Oppositionellen ausgegangen. Die Befehlkette reichte bis hinauf zum Minister, der beste Verbindungen zum Staatsoberhaupt genießt, dem Geistlichen Führer Ali Chamenei. Doch seit ein paar Tagen ist Mohseni-Edschei seinen Job los - auf Anordnung ausgerechnet von Mahmud Ahmadinedschad. Ein Hardliner feuert den anderen, das hat es in der Islamischen Republik so noch nicht gegeben.
Mohseni-Edschei wurde entlassen, weil er scharf kritisiert hatte, dass Ahmadinedschad den Schwiegervater seines Sohns zu seinem Vize ernennen wollte, einen Mann, der sich in Hardliner-Kreisen mit der Bemerkung in Verruf gebracht hat, der Iran sei dem israelischen Staat zwar feindlich gesonnen, aber gegen dessen Bürger hege man keinen Groll. Gegen die Ernennung war nicht nur der Geheimdienstminister. Auch der Geistliche Führer höchstselbst war darüber so aufgebracht, dass er seinen Zögling Ahmadinedschad in einem öffentlichen Brief zur Ordnung rief. Damit war der Ahmadinedschad-Verwandte passé, aber Mohseni-Edschei musste trotzdem gehen. Aus Zorn über die Eigenmächtigkeit des Präsidenten erklärten daraufhin mehrere andere Minister ihren Rücktritt.
Schauprozess als Machtdemonstration
Der Streit offenbart tiefe Risse im konservativen Lager, dem Fundament des Regimes. Die bedingungslose Allianz, die der Geistliche Führer nach der umstrittenen Wahl vom 12. Juni mit Ahmadinedschad eingegangen ist, stärkt die Macht der Hardliner nicht. Sie höhlt sie von Innen aus. Das ist brandgefährlich zu einer Zeit, in der die Führung der Islamischen Republik mit der gewaltsamen Niederschlagung der Demonstration einen Großteil der eigenen Bürger gegen sich aufgebracht hat. Um der Erosion der Macht entgegen zu wirken, versucht der Mullah-Staat nun, mit einem Schauprozess gegen 100 prominente Oppositionelle ein Exempel seiner ungebrochenen Schlagkraft zu statuieren. Doch auch diese Taktik funktioniert nicht: Jedes unglaubwürdige Geständnis eines Angeklagten, offensichtlich unter Folter erpresst, diskreditiert das Regime weiter.
Auch für Ahmadinedschad selbst bleibt die Lage prekär: Nachdem er das eigene Volk gegen sich aufgebracht hat, hat er sich nun auch noch wichtige Hardliner zu Feinden gemacht. Die Folgen dürfte er schon in den nächsten zwei Wochen zu spüren bekommen, wenn das Parlament sein neues Kabinett billigen muss. Obwohl dort die Konservativen in der Mehrheit sind, muss er mit Widerstand rechnen. In einem Brief haben ihn 200 Abgeordnete dazu aufgerufen, "sein Benehmen zu korrigieren und der Meinung des Geistlichen Führers zu folgen". Ein konservatives Mitglied des Parlaments ermahnte ihn dieser Tage, er solle "seine Nerven unter Kontrolle halten". Hinter vorgehaltener Hand fordern manche sogar ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten.
Heikle Lage für Washington
Für den Westen wird der Umgang mit dem Iran ob all der Instabilität immer schwerer. Der Druck auf US-Präsident Barack Obama wächst, sein Angebot für direkte Verhandlungen mit Teheran über das Atomprogramm zu überdenken. Spätestens im September, wenn Ahmadinedschad wie jedes Jahr zur Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York erwartet wird, müsse eine Antwort der Iraner vorliegen, heißt es nun aus Washington.
Für den Fall, dass diese ausbleibt oder abschlägig ausfällt, bereiten die USA eine neue Runde Sanktionen vor. Die wiederum wären dem Regime einmal mehr willkommener Vorwand, das Ausland als Wurzel allen Übels zu brandmarken und die Befürworter einer Annäherung an den Westen kompromisslos zu unterdrücken. Gut möglich, dass die Führung in Teheran in ihrer Not, alten Instinkten treu, genau darauf spekuliert.