Betrugsprozess in New York Das ist Richter Arthur Engoron – der Mann, der über Trumps Vermächtnis entscheidet

Der New Yorker Richter Arthur F. Engoron
Der New Yorker Richter Arthur F. Engoron führt den Vorsitz im Prozess gegen den ehemaligen US-Präsidenten Trump am New York Supreme Court
© Mike Segar / Pool Reuters / AP / DPA
Donald Trumps unternehmerisches Schicksal liegt in Händen eines demokratischen New Yorker Richters. Dass Arthur Engoron sich nicht vom Ex-Präsidenten auf der Nase herumtanzen lässt, hat er mehrfach beweisen – genau wie seinen Sinn für Humor.

Eine verwackelte Kamerafahrt in Homevideo-Qualität, gespielt überraschte, über beide Ohren grinsende Protagonisten in Nahaufnahme, quietschbunte Schrift im Comic-Sans-Stil, dazu ein Ohrwurmsong aus der Retorte – fertig ist das 90er-Jahre-Sitcom-Intro. Oder eben eine Momentaufnahme aus einem millionenschweren Zivilprozess, bei dem der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten um sein Geschäftsimperium und irgendwie auch um seine Würde kämpft:

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Vermutlich ist Donald Trump (neben Taylor Swift) der meistabgelichtete Mensch des Planeten. Das bedeutet, dass alles und jeder in dessen Kielwasser höllisch aufpassen muss. Und so geistert die ungewollt komische Aufnahme des New Yorker Richters Arthur Engoron seit Anfang Oktober durch die sozialen Medien, wahlweise unterlegt mit Titelsongs von Kultserien wie "Full House", "Friends" oder "The Office". Wer allerdings befürchtet, der sympathische, etwas zerstreut wirkende ältere Herr auf dem Richterstuhl sei womöglich "zu nett", um es mit Prügelrhetoriker Donald Trump aufzunehmen, der irrt sich. Und zwar gewaltig.

Dass Engoron auch ganz anders kann, bewies er zuletzt bei Trumps erster Prozessaussage am Montag. Als der Ex-Präsident zum x-ten Mal ungefragt seine bekannte Litanei von politischer Hexenjagd losließ (das ganze Verfahren sei "sehr, sehr unfair"), platzte Engoron der Kragen. "Das ist keine Wahlkampfauftritt!" schimpfte er und forderte Trumps Anwalt auf, seinen Mandanten unter Kontrolle zu bringen, ansonsten "werde ich das tun".

Wer ist der Mann, der dem einflussreichsten Republikaner den Mund verbietet? 

Für Donald Trump steht beim Prozess in New York viel auf dem Spiel

Für Donald Trump geht es in dem New Yorker Prozess um nichts Geringeres als sein geschäftliches Vermächtnis.

Generalstaatsanwältin Letitia James wirft dem Unternehmer, seinen beiden ältesten Söhnen und leitenden Angestellten der Trump Organization vor, die Werte mehrerer New Yorker Immobilien absichtlich falsch angegeben zu haben, um Millionen an Steuern und Versicherungsbeiträgen zu sparen. Sie fordert nicht nur 250 Millionen Dollar und ein fünfjähriges Kaufverbot für gewerbliche Immobilien. Wenn es nach James geht, dürfen weder Trump noch seine beiden Söhne je wieder ein Unternehmen mit Sitz im Staat New York leiten. Ein "Todesurteil für ein Unternehmen", wie der Patriarch selbst sagt.

Und es sieht nicht gut aus für den erneuten Präsidentschaftskandidaten. Richter Engoron hatte Trump bereits Tage vor dem Verhandlungsstart am 2. Oktober in einer Grundsatzentscheidung schuldig gesprochen. Der 77-Jährige habe betrogen, lebe in einer "Fantasiewelt".

Richter Arthur Engoron: vom Taxifahrer zum Trump-Maulkorb

Dass es eine bescheidene Idee ist, einen Mann zu beleidigen, in dessen Händen das eigene Vermächtnis liegt, ist selbsterklärend, sollte man meinen. "Ich habe einen gestörten, Trump hassenden Richter, der diesen FALSCHEN FALL mit einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit durch ein NYS-Gericht gerollt hat", schrieb Trump stattdessen noch vor Prozessbeginn auf seiner Plattform "Truth Social".

Dass Engoron als eingetragenes Mitglied der Demokratischen Partei nicht unbedingt der größte Fan des republikanischen Angeklagten ist, diese Vermutung liegt zumindest nahe. Nichtsdestotrotz ist Trump auf dessen Gnade angewiesen – eine Jury wird es nicht geben. Die trumpsche Anwaltarmada hatte keinen Geschworenenprozess beantragt. Engoron ist also gewissermaßen Richter und Henker zugleich. Ein enormer Druck.

Mit seinen 74 Jahren hat er zumindest reichlich Erfahrung im Umgang mit dem Richterhammer. In seiner Zeit als Student an der renommierten Columbia University, fuhr Engoron Taxi, gab Klavierunterricht (er spielte selbst Keyboard in einer "mäßig erfolgreichen" Band) und nahm eigenen Aussagen zufolge an "großen, manchmal ungestümen Protesten gegen den Vietnamkrieg" teil. Später urteilte er zwölf Jahre für das New Yorker Zivilgericht, das sich vornehmlich mit Bagatelldelikten befasst. In seiner mehr als zwei Jahrzehnten andauernden Karriere gingen Hunderte Fälle über seinen Tisch – sogar einen Sorgerechtsstreit um einen Hund namens "Stevie" soll er beigelegt haben.

2015 wurde er ohne Gegenkandidaten in den 1. Gerichtsbezirk des New Yorker Supreme Court gewählt. Seine Amtszeit endet 2029, obwohl Richter seiner Gehaltsklasse eigentlich im Alter von 76 Jahren in den Ruhestand gehen. Der Mann, der Engoron nun unfreiwillig zur späten Prominenz verhilft, will mit 78 Präsident werden. 

Eine Prise Humor

In den drei Jahren, in denen die Staatsanwaltschaft bereits gegen Trump und seinen innersten Zirkel ermittelt, war Engoron schon bei der Beweisaufnahme involviert und entschied bereits mehrfach gegen den Ex-Präsidenten. Weil der zum Beispiel immer wieder gegen Gerichtsmitarbeiter schoss, verbot Engoron dem Angeklagten, sich öffentlich auszulassen – sich selbst freilich ausgenommen. Denn obwohl Engoron nun noch unter strengen Sicherheitsvorkehrungen zur Arbeit fahren kann, zeigt er sich wenig beeindruckt vom trumpschen Wutschnauben. Er brummte Trump wegen Missachtung des Gerichts vergangenes Jahr sogar eine 110.000-Dollar-Strafzahlung auf, weil der eine Vorladung ignoriert hatte. Trump versuchte später, Engoron loszuwerden – ohne Erfolg.

So hart der Richter auch durchgreifen kann, sein Sitcom-Lächeln ist offenbar keine Fassade. US-Medienberichten zufolge gilt er als humorvoller, etwas schrulliger Typ, der vom Publikum nicht einmal verlangt, sich wie üblich bei seinem Eintritt in den Gerichtssaal zu erheben und sich selbst in bierernsten Anhörungen den einen oder anderen Scherz erlaubt. In so manch eine Urteilsrede soll er Filmzitate und Songtexte eingewoben haben. Vielleicht mag er sich am Ende des Trump Prozesses bei "The Clash" bedienen, die 1979 sangen: "I fought the law and the law won" – "Ich kämpfte gegen das Gesetz und das Gesetz gewann".

Quellen: "New York Times"; AP; Reuters.