Zwei Monate nach den Terroranschlägen vom 11. September wurde New York wieder aus allen Träumen gerissen, dass wieder so etwas wie Normalität einziehen könnte. Lähmendes Entsetzen macht sich breit, als nach dem Flugzeugabsturz im Stadtteil Queens kilometerweit eine dunkle Rauchwolke zu sehen ist. An Bord waren mehr als 250 Menschen - wie viele Menschen in dem beschaulichen Wohngebiet ums Leben kamen, kann zunächst niemand sagen.
Als der Airbus A-300 im Stadtteil Rockaway aufschlägt, geraten sechs oder sieben Wohnhäuser in Brand. »Das ganze Haus sprang in die Luft«, sagt der 47 Jahre alte John Maroney, der nur wenige Häuserblocks von der Absturzstelle entfernt wohnt. Das habe ihn aus dem Bett geworfen. Kurz vor dem Absturz sei ein Triebwerk der Maschine abgefallen - das passt zu den ersten Ermittlungen des FBI, wonach es an Bord zu einer Explosion gekommen sein soll. Der Motor sei in eine Texaco-Tankstelle gestürzt und habe dort einen Brand ausgelöst. »Wir waren sofort alle draußen mit unseren Feuerwehrlöschern, aber wir konnten nicht viel tun.«
Der riesige Passagierjet war kurz nach 08.00 Uhr Ortszeit (14.00 Uhr MEZ) vom Flughafen John F. Kennedy in Richtung Dominikanische Republik gestartet - voll mit erwartungsfrohen Urlaubsreisenden und Bewohnern der Karibikinsel auf dem Heimweg. In Santo Domingo versammelten sich Angehörige von Passagieren auf dem Flughafen. Norma Lilian Baloi wollte ihre Schwester und drei Neffen abholen und weint fassungslos nach der Nachricht vom Absturz. »Acht Jahre habe ich sie nicht gesehen. Jetzt gibt es sie nicht mehr.«
In New York beginnt wieder die traurige Aufgabe, sich in einem brennenden Trümmerfeld um Tote und Verletzte zu kümmern. In einem Gymnasium und einer Grundschule, beide noch wegen des Feiertags für die Veteranen geschlossen, werden provisorische Hallen zur Versorgung von Verwundeten eingerichtet. »Wir sollten alle unsere Bemühungen darauf konzentrieren, Überlebende zu finden«, sagt Bürgermeister Rudolph Giuliani, dem in den letzten Wochen seiner Amtszeit nichts erspart zu bleiben scheint. Was sind wohl seine ersten Gedanken bei der Nachricht vom Absturz gewesen? Er habe nur gedacht: »Oh mein Gott, und ich bin gerade an einer Kirche vorbei gekommen, wo ich an zehn Beerdigungen teilgenommen habe.«
»Riesiger Feuerball«
Nur etwa 100 Meter vom Wohnhaus von Gus Cholakis krachte ein großes Flugzeugteil zu Boden. »Ich schaute aus dem Fenster und das erste, was ich sah, war ein riesiger Feuerball.« »Oh nein, nicht schon wieder!« dachte Milena Owens, die zwei Häuserblocks von der Absturzstelle entfernt gerade dabei war, ihre Wohnung für das Erntedankfest zu schmücken. Das beschauliche Wohnviertel Rockaway in Queens liegt ganz in der Nähe vom Flughafen John F. Kennedy - 24 Kilometer entfernt vom zerstörten World Trade Center in Manhattan. Die niedrigen Wohnhäuser haben hier alle einen kleinen Vorgarten, Bäume sorgen für zusätzliches Grün. Ganz in der Nähe gibt es ein Einkaufszentrum und eine katholische Kirche. Rockaway hat sich kaum von den Wunden des 11. Septembers erholt - mehrere Bewohner der Siedlung kamen in den Hochhaustürmen oder im Einsatz bei der Feuerwehr ums Leben.
Sofort nach dem Absturz werden alle Flughäfen in New York geschlossen - Kennedy, LaGuardia und Newark. Auch alle nach New York führenden Brücken und Tunnel wurden geschlossen, um die Rettungsarbeiten zu erleichtern. In Washington zieht sich US-Präsident George Bush mit seinen Beratern zurück und ließ sich über Einzelheiten des Absturzes unterrichten.