Schöner kann man sich eine Verschwörungstheorie eigentlich nicht ausmalen: 25 Jahre lang, zwischen 1950 und 1975, soll das Pentagon angeblich experimentiert haben, ob sich Zecken und andere Insekten möglicherweise als Biowaffen einsetzen lassen. Dies, indem sie den Erreger für die Lyme-Borreliose in sich tragen, etwaige Feinde befallen und diese infizieren. Und natürlich soll es dabei eine Panne gegeben haben, sodass manipulierte Zecken des US-Verteidigungsministeriums aus dem Labor ausbüxen konnten und sich just aus diesem Grund die Lyme-Borreliose immer weiter ausbreitet - mit derzeit geschätzt 300.000 Neu-Erkrankten jährlich allein in den USA, so Angaben des US-Zentrums für Krankheitskontrolle und Vorbeugung (CDC). Wer an dieser Stelle abwinkt, dem sei gesagt: Genau das will das Repräsentantenhaus nun offiziell klären lassen.
Was ist Borreliose?
Die Lyme-Borreliose, oft auch nur Borreliose genannt, wird durch Bakterien, sogenannte Borrelien, verursacht. Zecken übertragen diese Erreger. Dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge kann die Erkrankung besonders die Haut, das Nervensystem und die Gelenke betreffen. Allerdings: Längst nicht alle Zecken sind Überträger von Borrelien. "Das Vorkommen von Borrelien in Zecken schwankt sowohl regional als auch kleinräumig sehr stark und kann bis zu 30 Prozent betragen", schreibt das RKI. Von den infizierten Menschen entwickle nur ein kleiner Teil (rund ein Prozent) Symptome. Da die Erreger im Darm der Zecke sitzen, dauert es, bis sie in den Körper des Menschen gelangen. Das Tier muss daher möglichst schnell entfernt werden.
Ein typisches Zeichen der Borreliose ist die sogenannte Wanderröte, die nach wenigen Tagen bis Wochen auftritt und sich als ringförmige Rötung um die Einstichstelle zeigt. Der Ring wandert allmählich nach außen. Fieber, Muskel- und Kopfschmerzen können auftreten. Auch Monate oder Jahre später können sich noch Spätfolgen zeigen - etwa Lähmungen, Taubheitsgefühle oder chronische Entzündungen.
Die demokratisch dominierte Kammer des US-Kongresses verlangt vom Generalinspekteur des US-Verteidigungsministeriums die Prüfung der Sache. Die Initiative zu dem Vorhaben geht allerdings auf einen Republikaner zurück, den Abgeordneten Chris Smith aus New Jersey. Der hielt im Seebad Asbury Park, mitten in seinem Wahlbezirk, bereits eine öffentliche Anhörung zu dem Thema ab, zu der sich rund 200 Betroffene einfanden, wie örtliche Medien berichteten.
Borreliose als Biowaffe: Buch sorgt für Aufregung
Dort offenbarte er auch, worauf seine Initivative beruht: auf der Lektüre des kürzlich erschienenen Buchs "Bitten: The Secret History of Lyme Disease und Biological Weapons". Autorin ist Kris Newby, eine nach eigenen Angaben preisgekrönte Wissenschaftsautorin der Stanford-Universität und Produzentin einer Film-Dokumentation zum Thema. Ihr Film "Under our skin" wurde von der "New York Times" als "polemisch" bezeichnet, die "Baltimore Sun" beschrieb den Film als "voll von Verdächtigungen, Behauptungen und Anekdoten", aber immerhin schaffte es die Doku 2010 in die Vorauswahl zu den Oscar-Nominierungen. Newby, so heißt es, leide selber chronisch unter der Lyme-Borreliose.
In ihrem Buch dokumentiert die Autorin angeblich, wie das US-Militär in den 60er-Jahren bei Versuchen Zecken mit seinerzeit schwer nachweisbaren Krankheitserregern infiziert haben soll. Dabei beruft sie sich im Wesentlichen auf ein Interview mit dem 2014 verstorbenen Wissenschaftler Willy Burgdorfer, der die Infektionen durchgeführt haben soll. Er soll es auch gewesen sein, der von der angeblichen, unbeabsichtigten Freisetzung sozusagen "bewaffneter" Zecken berichtet habe. Wichtig zu wissen dabei: Burgdorfer ist nicht irgendein beteiligter Wissenschaftler. Der gebürtige Schweizer gilt vielmehr als Entdecker des Erregers der Lyme Borreliose (was ihm allerdings erst 1981 glückte). Das Bakterium trägt offiziell sogar seinen Namen: Borrelia burgdorferi.
"Eine schockierende Lektüre"
"Wenn das alles wahr ist - und die Dokumentation ist sehr überzeugend", so der Abgeordnete Smith zu seiner Heimatzeitung "Asbury Park Press" (APP), "dann haben wir mit Bio-Waffen in einer grob unmoralischen Weise hantiert. Es ist eine schockierende Lektüre." Newbys Buch beleuchte, was passiert sei, und das sei die beste Voraussetzung dafür herauszufinden, was jetzt zu tun sei. Smith will unbedingt herausfinden, ob die Vorwürfe an das Pentagon stimmen oder ob es sich doch nur um eine Verschwörungstheorie handelt. Deshalb schrieb er laut dem Bericht der "APP" eigens einen Brief sowohl an US-Präsident Donald Trump als auch an die Generalinspekteure des Verteidigungs-, Heimats- und des Landwirtschaftsministeriums.
Trotz allem ist bisher allerdings noch völlig unklar, ob es überhaupt zu der von Smith beabsichtigten Untersuchung kommen wird. Der Antrag wurde zusammen mit einem Gesetzentwurf über Verteidigungsaufgaben auf den Weg zur Entscheidung gebracht. Der Entwurf muss nun noch mit der Version des republikanisch geführten Senats in Einklang gebracht werden. Ende offen.