Bombe in Beirut Syrienkritiker bei Anschlag ermordet

Bei einem Bombenanschlag östlich von Beirut ist am Montagmorgen einer der prominentesten Syrienkritiker des Landes getötet worden; mit ihm starben zwei Menschen. Der Journalist und Abgeordnete ermittelte im Mordfall Hariri.

Kurz vor der Debatte des Weltsicherheitsrats über den Mord an dem früheren Regierungschef Rafik Hariri ist bei einem Attentat in Libanon einer der prominentesten Syrienkritiker des Landes getötet worden. Der Journalist und Parlamentsabgeordnete Dschubran Tueini starb am Montagmorgen in seinem Auto, als im Industrieviertel Mukles östlich von Beirut eine Bombe detonierte. Mit ihm kamen mindestens drei weitere Menschen ums Leben, mehr als zehn wurden nach Angaben von Polizei und Ärzten zum Teil schwer verletzt. Syrien verurteilte den Anschlag scharf.

Bisherigen Ermittlungen zufolge detonierte gegen 09.00 Uhr Ortszeit in einem am Straßenrand geparkten Auto eine etwa 100 Kilogramm schwerer Sprengsatz, als Tueini auf dem Weg zur Arbeit vorbeifuhr. Tueinis Auto sei von der Straße in ein Tal neben der Straße katapuliert worden. Feuerwehrleute fanden später Tueinis Leiche und die seines Fahrers sowie zwei weitere Leichen. Eine bisher unbekannte Gruppe mit dem Namen "Kämpfer für die Einheit und Freiheit von Levante" übernahm die Verantwortung für den Anschlag.

Todesliste mit Syrienkritikern

Tueini, 48, war als Chefredakteur der Tageszeitung "An Nahar" einer der prominentesten Kritiker der syrischen Politik. In seinem letzten Kommentar hatte er Syriens Außenminister Faruk al-Scharaa als Ewiggestrigen dargestellt, der die libanesische Unabhängigkeit nicht akzeptieren will. Bei den Wahlen im Frühsommer war Tueini auf der Liste des Sohnes des ermordeten früheren Regierungschefs Rafik Hariri, ins Parlament gewählt worden. Saad Hariri hält sich bereits seit Monaten im Ausland auf, weil sein Name zusammen mit anderen Syrienkritikern auf einer "Todesliste" stehen soll, die im Zuge der Ermittlungen zum Attentat auf seinen Vater aufgetaucht war.

Bei dem Anschlag auf Rafik Hariri in Beirut waren Mitte Februar 22 weitere Menschen getötet worden. Der deutsche UN-Sonderermittler Detlev Mehlis verdächtigt syrische und libanesische Geheimdienste, hinter der Tat zu stecken. Er hatte am Sonntag (Ortszeit) in New York UN-Generalsekretär Kofi Annan seinen zweiten Bericht übergeben. Darin wirft Mehlis Syrien erneut mangelnde Kooperation mit den Fahndern vor. "Die Syrer kooperieren weiterhin nicht mit dem UN- Team, und Syrien hat zeitweise versucht, die Ermittlungen in die falsche Richtung zu lenken", heißt es in dem Bericht, der dem dpa- Büro in Beirut am Montag in Auszügen vorlag. "Es gibt 19 libanesische und syrische Verdächtige", heißt es in dem bislang vertraulichen Bericht weiter. Der Mehlis-Bericht soll an diesem Dienstag im Weltsicherheitsrat erörtert werden. Am Mehlis hatte am Wochenende aber nochmals die Bedeutung der syrischen Spur betont.

"Die freie Stimme der Presse getötet"

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA zitierte einen ungenannten Regierungssprecher in Damaskus, der Anschlag richte sich gegen die Stabilität und den gesellschaftlichen Frieden Libanons. Er sei mit Absicht zur Vorlage des Mehlis-Berichts verübt worden, "um zu diesem Zeitpunkt Beschuldigungen gegen Syrien zu erheben". Dagegen riefen Demonstranten bei einer Spontankundgebung in Beirut: "Sie (die Syrer) haben die freie Stimme der Presse getötet".

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat den Bombenanschlag aufs Schärfste verurteilt. Das Attentat stelle offenbar einen weiteren Versuch dar, den begonnenen Prozess hin zu einem unabhängigen, souveränen und demokratischen Libanon zu sabotieren, erklärte Steinmeier am Montag in Berlin. Den dafür Verantwortlichen müsse entschlossen entgegengetreten werden. Die Hintergründe des Attentats müssten aufgeklärt und die Schuldigen bestraft werden.

Auch die Europäische Union hat die Ermordung Dschubran Tueinis scharf verurteilt. Tueini sei "ein Verfechter der Menschenrechte und der Freiheit gewesen, nach denen sich das libanesische Volk sehnt", sagte der britische Außenminister Jack Straw am Montag in Brüssel. "Die EU ist zutiefst besorgt über diesen bisher letzten Angriff in einer ganze Serie von Attacken auf Unterstützer der Demokratie in Libanon", heißt es in der Erklärung Straws, der derzeit auch den Vorsitz im EU-Ministerrat führt. "Jene, die Libanon und die Region mit solchen feigen Taten destabilisieren wollen, werden keinen Erfolg haben." Die libanesische Regierung habe die volle Unterstützung der EU bei den Bemühungen um Aufklärung des Verbrechens an dem Syrienkritiker Tueini.

Drusenführer Walid Dschumblatt sagte, der Anschlag auf Tueni sei sicherlich nicht der letzte gegen Syrienkritiker gewesen. Dennoch würden diese weiter nach der Wahrheit über die Morde an Hariri und Tueini suchen. Seit dem Hariri-Attentat hat es in Beirut 15 weitere Anschläge gegeben. Im Juni starb der Journalist Samir Kassir. Im September wurde die TV-Moderatorin May Chidyac schwer verletzt.

DPA
DPA