Brüssel en bloc Edmund S. auf Mission Brüssel

In seiner Kolumne "Brüssel en bloc" beschreibt stern-Korrespondent Johannes Röhrig Figuren, Hintergründe und Skurrilitäten im Brüsseler EU-Zirkus. Diesmal: Die bisweilen etwas ungelenke Ankunft eines gewissen Edmund Stoiber, der von Belgien aus Bürokraten jagen soll.

Es war viel gespottet worden über Edmund Stoibers Ruf nach Brüssel. Nicht nur, dass dies als Abstieg eines daheim ausgemusterten Politikers empfunden wurde, der einst Superminister, Bundespräsident oder sonst was Wichtiges werden sollte. Es ist auch sein Anti-EU-Eifer, der nur schwer zur neuen Aufgabe passen mag: Kaum jemand konnte sich derart gegen "die da in Brüssel" in Rage reden wie der einstige Lokalfürst aus der bayerischen Staatskanzlei.

Nun steckt Stoiber selbst im verhassten europäischen Apparat. Diese Woche trat er im Kommmissions-Hochhaus seinen neuen Job an. Stoiber Edi nennt sich nun "Chairman of the High Level Expert Group on the Reduction of Administrative Burdens" und ist damit so etwas wie das Aschenputtel der EU-Gesetzgebung: Er soll in dem Wust der Vorschriften diejenigen herauspicken, die Firmen bei ihren Geschäften behindern. Stoiber selbst findet das "außerordentlich bedeutsam", wie er nach der Sitzung den ausschließlich deutschen Journalisten mitteilt. "Wir arbeiten hier ehrenamtlich im Interesse einer Sache." Man merkt gleich, dass der Mann froh ist, endlich wieder etwas zu tun zu haben.

Allerdings hält Brüssel den ungestümen Ministerpräsident a.D. dabei lieber an der kurzen Leine. Entscheiden darf der 15-köpfige Experten-Trupp, dem auch der Unternehmensberater Roland Berger angehört, nichts. Und selbst jede Art von Beratung wäre fast schon vom Start weg ins Leere gelaufen, denn die EU hatte auf Mister Bavaria offensichtlich nicht gewartet: Die Kommission hatte bereits selbst einen Aktionsplan zum Bürokratieabbau angestoßen. Er wäre um ein Haar noch diesen Monat ohne die neuen Super-Berater verabschiedet worden.

Diese Demütigung immerhin konnte Stoiber gestern verhindern: Nun darf Berater-Guru Berger den Kommissionsplan erst mal unverbindlich prüfen - auf eigene Rechnung freilich.

***

Als "Glücksfall für Europa" hat der deutsche Politiker Markus Ferber Stoibers Ernennung zum EU-Paragrafenjäger im Vorfeld bejubelt. Ferber ist Vorsitzender der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament. Es ist noch nicht lange her, da befand das weltbekannte Fachmagazin "Deutsche Verkehrszeitung", auch Ferber sei in seinem Beritt in gewisser Weise ein Glücksfall und ernannte ihn zum "Verkehrspolitiker des Jahres". Damit solle sein Engagement in Sachen Postliberalisierung (ja, tatsächlich Post!) gewürdigt werden. Verkehr, Post, Stoiber, EU - das lehrt: Nicht alles muss auf den ersten Blick Sinn ergeben hier in Brüssel.

Johannes Röhrig

Johannes Röhrig ist stern-Korrespondent in Brüssel. In seiner Kolumne "Brüssel en bloc" schreibt er regelmäßig über Figuren, Hintergründe und Skurrilitäten im EU-Zirkus.

***

EU-Politik ist für Außenstehende oft nur schwer zu durchschauen. Doch es gibt einen Trost: Auch Insider besitzen nicht immer den Durchblick. So vermeldeten kürzlich die EU-Grünen per Pressedekret, sie hätten einem Gesetz im Europäischen Parlament nicht zugestimmt. Die Konservativen hingegen bliesen zeitgleich heraus, die betreffende Richtlinie sei im Plenum "einstimmig" angenommen worden. Was stimmt nun?

Beides nicht: Tatsächlich war in jener Gesetzgebungsphase gar keine Abstimmung vorgesehen. Und sie fand auch nicht statt.

***

Am 13. Dezember des vergangenen Jahres jetteten 27 Staats- und Regierungschefs für eine Stippvisite nach Lissabon, um einen Vertrag zu unterzeichnen, der Selbstverständnis und Organisation der Europäischen Union neu regeln soll. Der ganze Reisezirkus war allein deswegen nötig geworden, weil die EU-Präsidentschaft damals bei Portugal lag, und das Land im Südwesten Europas darauf drängte, die Reform imagewirksam "Vertrag von Lissabon" nennen zu können. Das Abkommen muss noch in den EU-Ländern ratifiziert werden, doch die Heckenschützen gegen den "Vertrag von Lissabon" sitzen nun ausgerechnet in Portugal selbst.

Dort stößt den Fischereiverbänden übel auf, dass der Vertrag auch den Fischfang berührt; sie wollen das portugiesische Verfassungsgericht anrufen. Des Volkes Seele scheint daneben gleich mit verletzt, wenn man lokalen Blättern glaubt: Das kleine Land, das einst eine große Seefahrernation war, sieht sich in seiner "maritimen Historie" missachtet. Vor allem die Muschelfischerei scheint bedroht.

Oh je, da muss man nur mal an die Konsequenzen denken: keine Muscheln, kein Muschelreis, keine Cataplana; nichts, was einen Portugalurlaub ausmacht. Bei allem Respekt vor der neuen EU-Verfassung - Finger weg vom Muschelreis!