Der umstrittene Vorsitzende des chinesischen Volkskongresses, Li Peng, ist abgetreten. Der 74-Jährige, der als einer der Hauptverantwortlichen für die blutige Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 gilt, übergab die Führung des Parlaments auf einer Präsidiumssitzung an den 61-jährigen Wu Bangguo. "Meine Aufgabe ist erfüllt", sagte der 74-jährige Li Peng nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua.
Rückzug der Nummer zwei
Im Ausland als "Schlächter von Peking" verurteilt, war Li Peng das letzte Mitglied der politischen Führung, das noch direkt mit dem dunklen Kapitel der chinesischen Geschichte in Verbindung gebracht wird. Der Rückzug der Nummer Zwei in der bisherigen Machthierarchie war seit dem 16. Parteitag im November erwartet worden. Damals war Li Peng, wie die anderen Altpolitiker, aus Altersgründen aus dem mächtigen Ständigen Ausschuss des Politbüros ausgeschieden.
Hintergrund: Chinas Volkskongress
Der 1954 gegründete Nationale Volkskongress ist Chinas höchstes Staatsorgan. Im März kommen die knapp 3000 Delegierten zu ihrer jährlichen Plenarsitzung zusammen. Da die fünfjährige Legislaturperiode zu Ende ist, müssen sie diesmal eine neue Regierung und einen neuen Präsidenten billigen. Das ist reine Formsache, da das Kabinett des künftigen Regierungschefs Wen Jiabao und die Berufung von Parteichef Hu Jintao zum Präsidenten längst im engsten Führungszirkel beschlossen wurden. Unter der Alleinherrschaft der Kommunistischen Partei ist der Volkskongress nur Werkzeug der politischen Führung. Doch hat das Parlament seit den 90er Jahren auch ein Eigenleben entwickelt. So verweigerte 1992 ein Drittel der Abgeordneten dem Bau des umstrittenen Drei-Schluchten-Dammes die Zustimmung. Die Abgeordneten sind nicht frei gewählt, sondern von den lokalen Volkskongressen und der Volksbefreiungsarmee entsandt. Zu ihren Aufgaben gehören Gesetzgebung und Verfassungsänderung, Wahl der Staatsführung und Regierungsmitglieder, Billigung des Rechenschaftsberichts des Ministerpräsidenten, des Haushalts und der Arbeit der Justizorgane.
Mit der Berufung des bisherigen Vizeministerpräsidenten Wu Bangguo zum Vorsitzenden des Präsidiums des neuen Volkskongresses steht dessen Ernennung zum neuen Parlamentschef weitgehend fest. Der Volkskongress beginnt an diesem Mittwoch seine diesjährige Plenartagung mit dem Rechenschaftsbericht des scheidenden Ministerpräsidenten Zhu Rongji. Die knapp 3000 Delegierten werden auf ihrer Sitzung bis zum 18. März Parteichef Hu Jintao zum neuen Präsidenten und Vizeregierungschef Wen Jiabao zum neuen Ministerpräsidenten ernennen.
Elf Jahre Regierungschef
Der 76-jährige Jiang Zemin wird als Vorsitzender der Militärkommission und Oberbefehlshaber weiter im Hintergrund die Fäden ziehen. In welchem Maße auch der unpopuläre Li Peng noch Einfluss auf die Politik nehmen wird, bleibt abzuwarten. Elf Jahre war Li Peng Regierungschef Chinas, zuletzt fünf Jahre Parlamentschef.
Als im Mai 1989 während der Demokratiebewegung der reformerische Parteichef Zhao Ziyang gestürzt worden war, verhängte Ministerpräsident Li Peng den Ausnahmezustand über Peking. Den Militäreinsatz, dem einige hundert Menschen zum Opfer gefallen sind, verteidigte er auch später immer als richtig.
Hardliner ohne besonders Geschick
Der Hardliner ging immer scharf gegen die politische Opposition vor, zeigte aber nach Einschätzung von Diplomaten weder im Hantieren mit der Wirtschaft, das in hoher Inflation endete, noch in der Außenpolitik besonderes Geschick. Einst hatte er sich nur zögerlich hinter die marktwirtschaftlichen Reformen von Deng Xiaoping gestellt.
Mehrmals war Li Peng fälschlicherweise abgeschrieben worden, insbesondere 1993, als er wegen eines Herzleidens für Monate von der politischen Bühne verschwand. 1998 stand ihm verfassungsgemäß keine dritte Amtszeit als Ministerpräsident mehr zu. Es musste dann Parlamentschef Qiao Shi in einem Machtkampf weichen, um für Li Peng Platz zu machen.