Entgegen allen Erwartungen legt die Pariser Staatsanwaltschaft im Prozess gegen Ex-Premierminister Dominique de Villepin Berufung ein. Das Pariser Strafgericht habe in dem Verfahren um eine Rufmordkampagne gegen den heutigen Staatschef Nicolas Sarkozy "nicht alle Schlussfolgerungen gezogen", sagte Staatsanwalt Jean-Claude Marin am Freitag im Radiosender Europe 1. "Ich habe beschlossen, Berufung gegen diese Entscheidung einzulegen." Villepin zeigte sich empört: Es handele sich "um eine Entscheidung politischer Natur". Sarkozy habe sich entschlossen, "auf seiner Verbissenheit, seinem Hass zu beharren".
Villepin war am Donnerstag in erster Instanz in der so genannten Clearstream-Affäre freigesprochen worden. In ihr waren Sarkozy, weitere Politiker und Industriemanager im Jahr 2004 durch gefälschte Dokumente in den Verdacht gebracht worden, Schmiergelder aus einem Waffengeschäft erhalten zu haben. Die Anklage hatte Villepin, der im konservativen Lager jahrelang Hauptrivale von Sarkozy war, vorgeworfen, von der Verleumdungskampagne gewusst und diese "durch sein Schweigen gebilligt" zu haben. Sie hatte für den ehemaligen Regierungschef 18 Monate auf Bewährung und 45.000 Euro Geldstrafe gefordert. Sarkozy war in dem Verfahren als Nebenkläger aufgetreten.
Villepin hatte Sarkozy am Donnerstagabend vor einem erneuten Vorgehen gegen sich gewarnt. "Wir wissen alle, dass die Staatsanwaltschaft die Justizministerin (Michèle Alliot-Marie) ist - und das ist der Präsident der Republik." Er könne sich deshalb "nicht einen Moment vorstellen", dass die Staatsanwaltschaft Berufung einlegen werde. Tatsächlich hatte Sarkozy nach Villepins Freispruch erklärt, er wolle als Nebenkläger nicht in Berufung gehen. Er verwies dabei aber gleichzeitig auf die "Strenge" bestimmter Passagen in dem Urteil zu Villepin.