Demo in Beirut "Danke Syrien"

Erst forderten tausende von Libanesen den Abzug Syriens, nun sind rund 200.000 Libanesen einem Aufruf der Hisbollah gefolgt - und demonstrieren wiederum für den Verbleib syrischer Truppen im Libanon.

Nach wochenlangen Protesten der antisyrischen Opposition haben am Dienstag in Beirut fast 200.000 Menschen für die Allianz mit Damaskus demonstriert. Auch Regierungsmitglieder beteiligten sich an der Kundgebung, die die schiitische Hisbollah organisiert hatte. "Wir sind gekommen, um dem syrischen Präsidenten Baschar Assad unsere Dankbarkeit zu bezeugen", sagte Kabinettsminister Talal Erslan unter großem Jubel.

Die Aufrufe der USA, Deutschlands und Frankreichs zu einem Abzug der syrischen Truppen wurden als Einmischung in die Angelegenheiten eines souveränen Landes verurteilt.

Die Hisbollah in Libanon

Die radikalislamische Hisbollah - Partei Gottes - entstand 1982 mit iranischer Unterstützung während der israelischen Invasion Libanons. Die schiitische Organisation hat sich der Vernichtung Israels und der Errichtung einer "Herrschaft des Islams" sowohl in Jerusalem als auch in Libanon verschrieben. Die Hisbollah hat nach Schätzungen lediglich mehrere hundert aktive Kämpfer, aber tausende Unterstützer und Sympathisanten. Die Gruppe wird unter anderem für einen Anschlag 1983 auf das Hauptquartier der US-Marines am Beiruter Flughafen mit 242 Toten und zahlreiche Entführungen verantwortlich gemacht. In Libanon hat die vom US-Außenministerium als terroristische Vereinigung eingestufte Organisation den Status einer regulären Partei. Seit 1992 ist sie offiziell in das politische System integriert und derzeit mit zwölf Abgeordneten im libanesischen Parlament vertreten.

In ihrem Verhältnis zu Syrien sind die Libanesen tief gespalten. Erst gestern hatten in Beirut zehntausende Anhänger der Opposition gegen die syrischen Truppen im Land protestiert und einen sofortigen Abzug der Truppen gefordert.

Schweigeminute für Hariri

Wie bei den vorangegangenen Demonstrationen der Syrien-Gegner hielten die Menschen am Mittag eine Schweigeminute ein, um an die Ermordung von Ex-Ministerpräsident Rafik Hariri vor gut drei Wochen zu gedenken. Der Anschlag, für den Oppositionspolitiker Damaskus und die eigene Regierung mitverantwortlich machen, hatte den Ruf nach einem syrischen Truppenabzug anschwellen lassen.

Ungeachtet des Drucks der Opposition und der internationalen Gemeinschaft vereinbarten die Präsidenten Syriens und des Libanons keinen Termin für einen vollständigen Rückzug, sondern kündigten nur eine Verlegung der Truppen ins Bekaa-Tal nahe der syrischen Grenze bis Ende des Monats an. Bisher gab es jedoch noch keine Hinweise auf größere Truppenbewegungen. Nur vereinzelt waren leere Busse und Lastwagen auf dem Weg nach Westen, um möglicherweise Soldaten und Gerät aufzunehmen.

"Nein zu ausländischer Einmischung"

Über dem Platz im Zentrum von Beirut, auf dem die Demonstration stattfand, hingen zwei große libanesische Fahnen mit den Aufschriften "Danke Syrien" und "Nein zu ausländischer Einmischung". Der Protest richtete sich auch gegen die Forderungen nach einer Auflösung der Milizen im Libanon. Die Hisbollah, eine schiitische Partei mit zahlreichen Parlamentssitzen, verfügt auch über eine schlagkräftige Miliz.

Der israelische Außenminister Silvan Schalom sagte am Montag mit Blick auf die Demonstration, die Hisbollah habe im Südlibanon "eine sehr lange Zeit wie im Himmel gelebt" und verwies auf iranische Waffenlieferungen via Damaskus. Schalom sprach mit UN-Generalsekretär Kofi Annan über die Entwicklungen in der Region. Nur der Abzug aller syrischen Truppen und Sicherheitskräfte spätestens bis zur Parlamentswahl im Mai ermögliche eine freie Abstimmung, sagte er im Anschluss.

AP
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