Wegen Völkermordes in Darfur hat der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al Baschir beantragt. Der Völkermord in der Krisenprovinz gehe weiter und müsse gestoppt werden, erklärte Luis Moreno-Ocampo in Den Haag. Es ist das erste Mal, dass ein amtierendes Staatsoberhaupt von dem Gericht offiziell beschuldigt wird.
Zehn Anklagepunkte
Moreno-Ocampo führte insgesamt zehn Anklagepunkte gegen Al Baschir an, darunter Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Auch systematische Vergewaltigungen seien in Darfur an der Tagesordnung. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen hat der Darfur-Konflikt in den vergangenen Jahren 300.000 Menschen das Leben gekostet. 2,5 Millionen wurden vertrieben.
Der Chefankläger forderte ein dreiköpfiges Richtergremium am IStGH auf, einen Haftbefehl gegen Al Baschir auszustellen, um den langsamen Tod der Vertriebenen zu verhindern. Sie sind weiterhin Angriffen der von der Regierung unterstützten arabischen Reitermiliz der Dschandschawid ausgesetzt. Es wird erwartet, dass die Richter die vorgelegten Beweismittel mehrere Monate lang prüfen, bevor sie über einen Haftbefehl entscheiden.
Keine Auslieferung erwartet
Mit einer Auslieferung Al Baschirs an Den Haag wird ohnehin fürs erste nicht gerechnet, da der Sudan die Zuständigkeit des Gerichts nicht anerkennt. "Die internationale Gemeinschaft hat in der Vergangenheit versagt, hat den Völkermord in Ruanda nicht gestoppt, hat die Verbrechen auf dem Balkan nicht gestoppt", sagte Moreno-Ocampo. "Das Neue dieses Mal ist, dass es ein Gericht gibt, ein unabhängiges Gericht, das sagt ’Dies ist ein Völkermord’." Er könne nicht wegsehen, er habe Beweise.
Bei den Anklagepunkten handelt es sich im einzelnen um drei Fälle von Völkermord für die Tötung von Mitgliedern der ethnischen Gruppen der Fur, Masalit und Zaghawa, fünf Fälle von Verbrechen gegen die Menschlichkeit wegen Mordes, Vernichtung, zwangsweiser Umsiedlung, Folter und Vergewaltigung sowie zwei Fälle von Kriegsverbrechen wegen Angriffen auf die Zivilbevölkerung in Darfur und die Plünderung von Städten und Dörfern.
Mehr Blutvergießen befürchtet
Ein ranghohes Mitglied der sudanesischen Regierungspartei bezeichnete den Schritt Moreno-Ocampos als unfair und politisch motiviert. Die Sudanesische Befreiungsbewegung-Einigkeit, die in Darfur gegen die Regierung kämpft, begrüßte den Vorstoß dagegen und bot ihre Hilfe für eine Ergreifung Al Baschirs an. Die sudanische Regierung hatte am Wochenende vor einer Anklage des Staatschefs gewarnt. Ein solcher Schritt werde zu noch mehr Blutvergießen in Darfur führen, hieß es in einer Erklärung von Al Baschirs Nationaler Kongresspartei.
Al Baschirs Sprecher erklärte, eine Anklage des Präsidenten hätte "verheerende" Folgen für die Region. Beobachter befürchten auch Auswirkungen auf die 9000 Mann starke Friedenstruppe von UN und Afrikanischer Union in Darfur. Der UN-Sicherheitsrat hatte Moreno-Ocampo 2005 damit beauftragt, Verbrechen in Darfur zu untersuchen.
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke, wertete die Entscheidung des Chefanklägers laut einem Bericht der Tageszeitung "Die Welt" als "ganz wichtigen Schritt". Nach den vielen erfolglosen Resolutionen im UN-Sicherheitsrat zeige dies, dass schwere Menschenrechtsverletzungen auch für Staatschefs und amtierende Politiker nicht ohne Konsequenzen bleiben müssten, zitierte das Blatt Nooke.
Human Rights Watch äußerte sich ebenfalls zustimmend. Dies zeige, dass niemand über dem Gesetz stehe, sagte Richard Dicker, Direktor des Internationalen Justizprogramms der Menschenrechtsorganisation mit Sitz in New York.