Das hat es in der langen Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika noch nie gegeben: Noch bevor alle Stimmen ausgezählt waren, trat der amtierende Präsident vor die Kameras und reklamierte den Wahlsieg für sich. Schon zuvor hatte Donald Trump getwittert, seine Gegner wollten die Wahl "stehlen". Am Donnerstagabend, als der Ausgang der Präsidentschaftswahl immer noch unklar war, erneuerte Trump seine Vorwürfe in einem Statement im Weißen Haus. Belege dafür lieferte er nicht.
Mit diesen Vorwürfen hat der US-Präsident auch bei seinen Anhängern und den Vertretern der Republikaner viele Sympathien verspielt. Trump lässt Würde, Anstand und Respekt für seinen Herausforderer Joe Biden, aber auch für die Demokratie insgesamt vermissen. Das weckt bei vielen Amerikanern Erinnerungen an andere Kandidaten, die in der Niederlage Demut zeigten und den Willen der Wähler anerkannten.
In den sozialen Netzwerken erinnern User an die öffentlichen Auftritte dieser unterlegenen Präsidentschaftskandidaten, in denen sie ihre Niederlagen eingestanden. In den USA wird die Rede, in der ein Kandidat den Sieg des anderen akzeptiert, als "concession speech" bezeichnet, sie ist ein Zugeständnis an dessen Sieg.
George H.W. Bush schrieb Bill Clinton einen bewegenden Brief
George H.W. Bush war der bisher letzte amtierende Präsident, der nach nur einer Amtszeit wieder abgewählt wurde. 1992 unterlag der Republikaner dem Demokraten Bill Clinton. Am Wahlabend gestand Bush seine Niederlage ein: "Das Volk hat gesprochen." Er gratulierte Clinton am Telefon zum Sieg, lobte dessen Wahlkampf und versprach: "Meine ganze Administration wird eng mit seinem Team zusammenarbeiten, um einen reibungslosen Übergang sicherzustellen."
Interessanterweise benutzte Bush in dieser Rede einen Satz, den man so auch oft von Trump gehört hat: "America must always come first" – "Amerika muss immer an erster Stelle stehen." Bei Bush allerdings spiegelte sich darin kein Egoismus, sondern das Verständnis dafür, dass die demokratischen Prozesse im Land über einzelnen Personen und Parteien stehen. Seine Unterstützer forderte Bush auf: "Wir müssen alle hinter diesem neuen Präsidenten stehen und ihm alles Gute wünschen."
Berühmt geworden ist zudem ein Brief, den Bush an Clinton schrieb und seinem Nachfolger im Oval Office hinterließ. "Lassen Sie sich von den Kritikern nicht entmutigen oder von Ihrem Kurs abbringen", riet Bush dem neuen Präsidenten – und endete mit den Worten: "Ich feuere Sie an." Sätze, die man sich von Donald Trump wiederum nicht vorstellen kann.
John McCain lobte den historischen Erfolg von Obama
Für John McCain ging der große Traum vom Weißen Haus 2008 nicht in Erfüllung. Damals entschied Barack Obama die Wahl für sich und wurde als erster Afro-Amerikaner Präsident der USA. Statt sich wegen seiner Niederlage zu grämen, würdigte der Republikaner McCain diese "historische Wahl" Obamas: "Ich erkenne die besondere Bedeutung, die sie für Afro-Amerikaner hat und den besonderen Stolz, den Sie heute Abend empfinden." Als die Unterstützer der Republikaner Obama ausbuhen wollten, wehrte McCain ab.
Obama und er seien in vielen Punkten unterschiedlicher Ansicht, sagte McCain, stellte im Moment seiner Niederlage aber dennoch die Gemeinsamkeiten heraus. Sowohl er als auch Obama glaubten daran, dass Amerika allen die gleichen Möglichkeiten biete. "Obama hat Großes erreicht – für sich selbst und für unser Land", so McCain.
Donald Trump: "Verlieren ist niemals leicht"
In den USA haben die sogenannten "concession speeches" eine lange Tradition. Die Wahl gilt als entschieden, wenn einer der Kandidaten seine Niederlage anerkennt und seinem Konkurrenten gratuliert. George H.W. Bush und John McCain bewiesen – wie die allermeisten anderen unterlegenen Kandidaten in der Geschichte der Vereinigten Staaten – Größe in der Niederlage. Donald Trump hingegen hatte schon vor der Wahl wissen lassen: "Gewinnen ist leicht. Verlieren ist niemals leicht. Nicht für mich."
Quellen: "NPR" / "USA Today"