Nikki Haley ist bereits die Nummer 16 – wenn man nur die erste Reihe zählt. Nimmt man noch die etwas unbekannteren Abgänge dazu, dann hat Donald Trump seit seinem Amtsantritt bereits 28 seiner Top-Mitarbeiter verloren: darunter seinen Außenminister, seine engste Berater, fast sämtliche PR-und Kommunikationsleute sowie diverse Anwälte. Und nun also seine Botschafterin bei der Vereinten Nationen. Überraschend kam das für Ende des Jahres angekündigte Ausscheiden, dem Anschein nach aber geschah es nicht im Streit, was die Sache nur noch rätselhafter macht.
Ein Trump-Fan war Nikki Haley eigentlich nie
Wobei: Die Personalie Nikki Haley war von Anfang an eher ungewöhnlich. Die jetzt 46-Jährige zählt zwar zum Kreis sehr konservativer Republikaner, doch mit Trump konnte sie lange nichts anfangen. Als Governeurin des wenig progressiven Bundesstaats South Carolina setzte sie sich im Präsidentschaftswahlkampf erst für den innerparteilichen Konkurrenten Marc Rubio ein und später dann für Ted Cruz. Wahlsieger Trump aber wollte sie dennoch im Team haben und machte sie zur US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen. Obwohl sie dort immer wieder auch öffentlich gegen die Linie des US-Präsidenten argumentierte, war der bei ihrer Abschiedsbekanntgabe voll des Lobes für "seine Freundin".
Gründe für die "Auszeit" aber gab es auch bei dem gemeinsamen Presseauftritt keine zu hören. Und so überraschend ihr Rücktritt selbst für Washingtoner Beobachter kam, so heftig schießen nun die Gerüchte ins Kraut:
- Braucht sie schlicht mehr Geld? Seit 2004 arbeitet Haley als Politikerin – zunächst war sie Abgeordnete in ihrem Heimatstaat South Carolina, 2010 wurde sie erstmals zur Gouverneurin gewählt – allesamt zwar ehrenhafte, aber nicht eben üppig bezahlte Jobs. Laut CNN ergibt sich aus der Steuererklärung der Familie, dass sie und ihr Ehemann um die 200.000 Dollar im Jahr verdienen - aber auch Schulden in beträchtlicher Höhe hätten. Unter anderem eine Hypothek in Höhe von einer Million. Nun also will sie versuchen, ihre hervorragenden Kontakte in und nach Washington zu Geld zu machen.
- Dann ist die Rede davon, dass der erzkonservative Sicherheitsberater John Bolton zusammen mit Außenminister Mike Pompeo der Grund für Haleys ausscheiden gewesen seien - weil sie befürchet habe, irgendwann mit den beiden Hardlinern aneinander zu geraten – und zu verlieren. Dabei galt sie eigentlich als heimlicher Star der Regierung – nicht nur, weil sie weiblich unter dem Namen Nimrata Randhawa als Kind indischer Einwanderer geboren wurde, sondern weil sie in der Lage war, Trumps zuweilen harte Botschaften verständlich unters Volk zu bringen. Und trotz ihrer gelegentlichen Meinungsunterschiede mit dem Chef verteidigte sie seinen Kurs stets loyal.
- Apropos loyal: Der "New Yorker" spekuliert über Haleys auffallend lautes Lob für Trumps Schwiegersohn und Mann für alles, Jared Kushner. Der sei geradezu ein "verstecktes Genie" sagte die scheidende UN-Botschafterin über den Gatten von Ivanka Trump. Kushner versucht derzeit nichts Geringeres als eine Friedenslösung für den Nahen Osten zu entwerfen. Möglicherweise betrachtet Haley das Paar Kushner-Trump als kommende Stars und sie versucht sich bereits jetzt schon auf ihre Seite zu schlagen.
- Sie will irgendwann ins Weiße Haus oder selbst US-Präsidentin werden – und nimmt nun den dafür nötigen Anlauf. Die meisten Beobachter sind sich sicher, dass die erst 46-Jährige weiter politische Pläne verfolgt. Mittelfristig sei für sie in der Republikanischen Partei zwar nichts zu holen, schreibt etwa CNN, doch spätestens 2024 oder vier Jahre später ist das Rennen um das Weiße Haus wieder offen. Und dann könnte auch bei den Konservativen die Zeit reif für eine weibliche Kandidatin mit Migrationshintergrund sein. Dass sie die Erfahrung und das Stehvermögen für (schwierige) Führungsämter hat, beweist sie seit Jahren– und beliebt ist sie auch noch. Die Frage nach einer Präsidentenbewerbung verneinte sie zwar lachend, aber die Frage bezog sich ausdrücklich nur auf das Jahr 2020.
Und nun? Ivanka folgt ihr wohl nicht
Vermutlich werden die Amerikaner irgendwann wohl wieder häufiger von Nikki Haley hören. Auch wenn einige konservative Kreise jetzt noch geschockt sind, dass eines der wenigen republikanischen Aushängeschilder, das nicht weiß, männlich und alt ist, nun so kurz vor der anstehenden Zwischenwahl im November das Regierungsumfeld verlässt. Wer ihr bei der Versammlung der Vereinten Nationen folgen wird, will der US-Präsident erst nach der kommenden Abstimmung bekannt geben. Eine Handvoll Kandidaten habe er in der engeren Auswahl, sagte Trump. Kurze Zeit war sogar seine Tochter Ivanka im Gespräch, nachdem Vater Donald meinte: "Ivanka wäre bei den UN wie Dynamit." Er meinte es vermutlich als Lob.