Doppelgänger "Du bist mein Sklave"

Latif Yahia und Uday, der älteste Sohn Saddam Husseins, gingen in eine Klasse der Bagdader High School. Als sie erwachsen sind, bittet Udai seinen Freund, sein Doppelgänger zu werden. Der Wunsch ist wie ein Todesurteil.

Latif ist geschockt. "Ich will, dass du mein Fidai wirst!", sagt Uday. Latif Yahia ist mit Uday, dem ältesten Sohn Saddam Husseins, in eine Klasse der Bagdader High School gegangen. Er ist inzwischen bei der Armee, im Kampf gegen den Iran. Von dort hat ihn Uday nach Bagdad in den Präsidentenpalast beordert. Sein Wunsch ist wie ein Todesurteil, schlimmer noch: eine Hinrichtung bei lebendigem Leib. Ein Fidai ist in der arabischen Kultur ein Leibeigener, der bereit ist, seinem Herrn das Leben zu geben. Doch Latif möchte nicht für diesen Mann einspringen, dessen Grausamkeit legendär ist. Er lehnt ab.

Uday lässt ihn in einen Raum werfen

, kaum größer als ein Schrank. Dort liegt er im eigenen Kot und Urin, bricht nach sieben Tagen zusammen. Er gibt jeden Widerstand auf. Seine Schneidezähne werden abgeschliffen. Ihm werden neue, leicht vorstehende Kronen eingesetzt. Er eignet sich die lispelnde Aussprache Udays an, lernt dessen Körpersprache. Stundenlang schaut er Videos mit Uday, bekommt Schläge mit dem Elektrokabel, wenn der wieder mal ausrastet, weil Latif die Hand nicht perfekt gehalten hat.

Von nun an taucht Latif in eine neue Welt. Er ist überall dabei, erlebt Udays Partys , die oft in Orgien enden. Er ist Augenzeuge, als Uday die Braut eines Offiziers vergewaltigt, sieht, wie sie sich vor Scham aus dem sechsten Stock stürzt. Er ist dabei, als Uday den Vorkoster und Freund Saddams die Kehle durchschneidet. Der Mann, befindet Uday, habe seine Mutter entehrt, weil er seinem Vater immer wieder Geliebte zugeführt habe.

Nach dem Einmarsch in Kuwait 1991 stiehlt Uday

mit seinen Schergen Tausende Autos in dem besetzten Land. Als die Gerüchte über den plündernden Sohn des Diktators Kreise ziehen, zwingt Uday seinen Doppelgänger, im Fernsehen öffentlich zu bekennen, dass er die Verbrechen in Kuwait begangen habe. Latif soll dafür gehängt werden. Als die ersten amerikanischen Bomben auf Bagdad fallen, ist Uday längst außer Landes. Latif muss die Front besuchen, die Hände der Soldaten schütteln und fürs Fernsehen posieren. Im Februar 1991 wird der Wagen Latifs in die Luft gesprengt. In den Nachrichten heißt es, der Präsidentensohn sei ermordet worden. Latif liegt im Krankenhaus, verliert beinahe seinen rechten kleinen Finger. Eine Katastrophe für Uday. Er kehrt in den Irak zurück, droht den Ärzten, mahnt sie, Latifs Finger zu retten und ihm den Doppelgänger zu erhalten.

Uday feiert weiter Orgien, während die Menschen Hunger leiden. Weil Latif seine Verachtung nicht länger verbergen kann, lässt ihn der Tyrannenspross schließlich ins Lager der Geheimpolizei bringen. Latif wird gefoltert, mal mit Kabeln malträtiert, mal an einen Ventilator unter der Decke gehängt und geschlagen.

Am 23. Tag kommt Uday. Er nimmt ein Messer und rasiert Latif kahl. Die ultimative Demütigung. Doch er tötet ihn nicht. Latif wird vor dem Haus seiner Eltern abgeladen, völlig ausgemergelt, halbtot. Mit Hilfe von Freunden gelingt ihm die Flucht in den Nordirak und von dort in die Türkei. Heute lebt er in Europa, noch immer versteckt vor den Häschern des Präsidentensohnes.

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Cornelia Fuchs