Syrischer Zivilschutz Erst im Bürgerkrieg, jetzt nach dem Erdbeben – die Retter mit den weißen Helmen

Weißhelme in Syrien
Sie sind überall: Die Weißhelme helfen Syrern in Not – und das nicht erst seit dem verheerenden Erdbeben
© Demiroren Visual Media/ABACA/ / Picture Alliance
Sie helfen so gut es geht. Trotzdem gelingt es den Freiwilligen der Weißhelme selten, alle Opfer lebend zu bergen. Denn die Situation nach dem Erdbeben ist eine andere als während des Bürgerkrieges.

Ein fünfjähriges Mädchen und ihr sieben Jahre alter Bruder werden aus den Trümmern eines Wohnhauses befreit. Für die Mutter kommt die Hilfe zu spät. Ein Mann mit weißem Helm redet dem staubbedeckten Jungen gut zu, zeigt eine Videoaufnahme. Jemand anderes wickelt die Kinder in Decken, Hände wischen ihnen den Staub aus Gesicht und Haaren.

Geblieben ist den beiden nach dem Beben nichts. Nur der Vater soll noch am Leben sein, berichten die Retter. Es sind traurige Wunder, die die zivilen Helfer in Syrien seit fast einer Woche täglich vollbringen. Denn mit jedem weiteren Tag sinkt die Chance, Überlebende aus den Trümmern zu bergen. Die Helfer vor Ort sind weitestgehend auf sich allein gestellt, während in der benachbarten Türkei internationale Hilfen ankommen. Die Unterstützung Syriens ist wegen des politischen Lage kompliziert. Die Betroffenen sind deshalb auf die Weißhelme angewiesen.

Ismail Alabdullah, Sprecher der Organisation, wurde Zeuge davon, wie Überlebende geborgen werden. "Aber das sind seltene Fälle", sagt er im Gespräch mit dem Spiegel. Landesweit wurden bisher über 3000 Tote gemeldet. Die Zahl dürfte aber deutlich höher ausfallen, denn vier Tage nach dem Erdbeben gab es in Syrien so wenig Helfer, dass nur fünf Prozent der betroffenen Gebiete durchsucht werden konnten. Alabdullah und seine Kollegen versuchen Überlebende mit bloßen Händen und Schaufeln zu bergen – und sind mit der Situation überfordert.

Weißhelme werden zur politischen Zielscheibe

Denn die Weißhelme sind darauf spezialisiert, Verschüttete nach Luftangriffen zu bergen. Seit der syrische Bürgerkrieg tobt, haben sich Freiwillige gefunden, um Menschen in den Rebellengebieten zu unterstützen. 2014 gründete sich aus den losen Bündnissen die Organisation Weißhelme – bekannt für ihre Kopfschutzbedeckung. Die Helfer unterschiedlichster Berufsgruppen haben sich dem humanitären Wertekodex verpflichtet, helfen Menschen unabhängig von ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit und politischen Ansichten.

Nach eigenen Angaben haben die Weißhelme in den vergangenen fünf Jahren mehr als 100.000 Menschenleben gerettet, wobei mehr als 250 Freiwillige ihr Leben verloren. Überprüfen lassen sich diese Zahlen nicht. Doch das Regime unter Machthaber Bashar al-Assad beschießt die Rebellenregionen immer wieder.

Im Nordwesten Syriens, der von den Rebellen kontrolliert wird, leben zahlreiche Binnenflüchtlinge, die vor dem Grauen des Bürgerkrieges eine Zuflucht suchen. Angriffe und Kämpfe haben die Infrastruktur dort weitestgehend zerstört. Die Freiwilligen leisten Nothilfe. Auch Frauen helfen aus: Sie versorgen gerettete Verletzte, bieten Traumaberatungen an und bereiten Kinder und Familien auf die nächsten Angriffe vor. Für ihre Arbeit wurde die Organisation unter anderem mit dem "alternativen Friedensnobelpreis" ausgezeichnet.

Auch die Zentren der Weißhelme hat das Assad-Regime ins Visier genommen. Zwischen Juni 2016 und Dezember 2017 sollen Quartiere und Teams 238 Mal von Raketen, Bomben und Artillerie beschossen worden sein. Das Assad-Regime bezeichnet die Organisation als "kriminell" und "Terroristen".

Erdbeben in der Türkei und in Syrien
Erdbeben in der Türkei und in Syrien: Epizentrum und Ausbreitung
© DPA Infografik / stern/rös / Picture Alliance

Helfer fühlen sich alleingelassen

Mit der aktuellen Situation sind die Weißhelme überfordert. "Unser Team arbeitet rund um die Uhr, die Leute sind längst am Anschlag", sagt Alabdullah. Man sei darauf spezialisiert, Menschen aus einem Trümmerhaufen zurzeit zu bergen. Durch das Erdbeben sind Hunderte Gebäude gleichzeitig eingestürzt. 3000 Helfer suchen laut Organisation nach dem Erdbeben nach Überlebendenden, bringen Verletzte in Krankenhäuser, die nach Bürgerkrieg, Pandemie und dem Erdbeben selbst am Limit sind.

Bisher sei lediglich ein technisches Ärzteteam aus Ägypten über den syrisch-türkischen Grenzübergang in die Region gelangt, das bei den Bergungsarbeiten hilft. "Ansonsten sind wir allein in der Katastrophe. Und diese Katastrophe ist größer als wir."

Quellen: Auswärtiges Amt, Weißhelme, "Spiegel", mit Material von DPA und AFP