EU-Beitritt Hohe Erwartungen an Polens Beitritt

Die Polen haben für den EU-Beitritt gestimmt, und Deutschland bekommt ab Mai 2004 wichtigen Partner im Osten der Union. Beide Länder stellen an die EU-Mitgliedschaft Polens hohe Erwartungen.

Die Polen haben mit großer Mehrheit für den EU-Beitritt ihres Landes gestimmt, und Deutschland bekommt ab Mai 2004 einen nicht nur wirtschaftlich wichtigen Partner im Osten der Union. Beide Länder stellen an die EU-Mitgliedschaft Polens hohe Erwartungen. Dabei scheinen sich die beiden Nachbarn oft noch mit Vorbehalten zu begegnen.

„Für Deutschland ist es wichtig, die Zone der Stabilität und Prosperität nach Osten auszuweiten“, sagt Kai Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. „Der Beitritt wirkt für Polen wie ein Katalysator, auch unpopuläre Schritte zu realisieren.“ Der Osteuropa-Experte erwartet einen gewaltigen Schub für die Modernisierung von Politik und Wirtschaft des östlichen deutschen Nachbarlandes.

Irritationen nach dem Irak-Krieg

Auch die unterschiedlichen Positionen im Irak-Krieg dürften Lang zufolge an den engen Verflechtung der deutschen und polnischen Interessen nichts Grundlegendes ändern. Zwar habe sich Polen anders als Deutschland im Krieg engagiert und die USA unterstützt. „Aber Polen braucht für seine Modernisierung Partner im alten Europa.“

Zudem hätten vor allem zwei Themen große Relevanz für die beiden Nachbarn: „Wo endet die europäische Erweiterung? Bei der Ukraine, für die Polen eine Beitrittsperspektive will? Und wo sortiert sich Polen ein bei der nationalen Souveränität, Agrarpolitik, Struktur- und Regionalpolitik, Außen- und Sicherheitspolitik?“ So möge Polen kurzfristig relativ stark pro-USA orientiert sein, sagt Lang. „Mittel- und langfristig aber wird Polen das europäische Hemd näher sein als der amerikanische Rock.“ Letztlich entschieden eine dynamische Wirtschaft und ein leistungsfähiger Staat. Und hier zeige sich: „Wenn Deutschland niest, erkältet sich Polen.“

Schlechte Konjunkturlage in beiden Ländern

Nach Angaben der Deutsch-Polnischen Wirtschaftsförderung ist Polen weltweit gesehen der viertgrößte Handelspartner der EU und der zweitgrößte Deutschlands in Mittel- und Osteuropa. Die von der polnischen Regierung und den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen getragene Gesellschaft bemüht sich um die wirtschaftliche Zusammenarbeit in den grenznahen Regionen. Wegen der trüben Konjunkturlage in beiden Ländern stagniere aber derzeit die Kooperation, sagt Jacek Robak, Vorstandsvorsitzender der Fördergesellschaft in Warschau. Zudem bestünden noch immer formale und rechtliche Barrieren. „Wir hoffen auf Besserung, vor allem durch den EU-Beitritt.“

In einem Bericht der Wirtschafts- und Handelsabteilung der polnischen Botschaft in Berlin heißt es, bei einem EU-Beitritt Polens werde in das Land vermehrt Kapital fließen wegen der dann höheren rechtlichen und wirtschaftlichen Stabilität, der Privatisierung der Wirtschaft, des Zugangs von Investoren aus Drittländern zum europäischen Markt und der relativ niedrigen Arbeitskosten.

Investoren zurückhaltend

„Deutsche Investoren sind derzeit aber noch recht zurückhaltend“, sagt Robak. Etwa 6000 deutsche Firmen hätten sich in Polen angesiedelt, meist kleine und mittlere Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe und dem Dienstleistungssektor. Umgekehrt sind Robak zufolge nur rund 400 polnische Firmen nach Deutschland gegangen. Viele polnische Unternehmer stünden vor einer „mentalen Barriere“. Das rühre aus der Geschichte her. Es gebe aber auch nur wenige Beispiele, in denen der deutsche Partner mit einer Minderheitsbeteiligung einverstanden gewesen wäre. „Der Deutsche ist der Manager“, sagt Robak.

Eine Ausnahme scheint PKN Orlen zu sein. Der größte polnische Ölkonzern kaufte 494 Tankstellen von BP in Deutschland. Am Freitag wurde die erste in Berlin eröffnet.

Zweiter Weltkrieg belastet Beziehungen

Dass aber bei den deutschen und polnischen Bürgern auch fast 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges die Beziehungen oftmals noch immer belastet sind, kann Christine Ziegler vom Verein „Städtepartner Stettin“ bestätigen. „Oft herrscht bei Polen die Angst, die Deutschen würden kommen und ihnen ihr Land wegkaufen“, sagt Ziegler. Ihr 1997 im Berliner Bezirk Kreuzberg gegründeter Verein bemüht sich um Austausch und Kontakt zwischen Berlinern und Stettinern. Die Neugierde auf Berlin sei aber größer als die auf Stettin, hat Ziegler festgestellt. Manchmal habe sie den Eindruck, das Interesse auf deutscher Seite liege eher auf der Ebene der Völkerverständigung, auf polnischer Seite aber im praktischen Nutzen. „Polen ist im Umbruch: Die Älteren haben Angst, die Jüngeren lernen Englisch und Deutsch.“