EU-Finanz-Gipfel Blair hofft auf Kompromiss

Alles steht und fällt mit dem "Britenrabatt": Heute will Tony Blair auf dem EU-Finanzgipfel einen neues Kompromissangebot vorlegen und damit doch noch eine Einigung erzielen.

Nach dem monatelangem erbitterten Streit um die künftige Finanzierung der EU verbreitete sich am ersten Tag des Brüsseler Gipfels vorsichtiger Optimismus. Bundeskanzlerin Angela Merkel sah ebenso wie der britische Premierminister Tony Blair eine "reale Chance" auf eine Einigung. In deutschen Regierungskreisen hieß es am Donnerstagabend in Brüssel, die Kanzlerin habe nach Gesprächen mit Blair und dem französischen Präsidenten Jacques Chirac den Eindruck, dass am Freitag eine Lösung im Streit um die Finanzplanung der Jahre 2007 bis 2013 gefunden werde. Allerdings lägen die Positionen noch weit auseinander, sagte Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Noch sei nicht über konkrete Zahlen gesprochen worden.

Eine Einigung wird nach Ansicht von EU-Diplomaten wesentlich davon abhängen, ob und in welchem Umfang die britische Regierung zu einer Kürzung ihres milliardenschweren EU-Beitragsrabatts bereit ist. Ein Erfolg des Gipfels war gleichwohl auch nach den ersten Gesprächen offen. Zahlreiche Gipfelteilnehmer hatten Blair aufgefordert, stärker als bisher angeboten einzulenken. Polen und Frankreich hatten Großbritannien zuvor in einem offenen Brief zu Zugeständnissen bei seinem Rabatt gedrängt. Sie bekräftigten aber den Willen zum Kompromiss.

Großbritanniens Rabatt-Vorschlag

Blair hat bislang in der Frage des 1984 von der damaligen Regierungschefin Margaret Thatcher durchgesetzten Beitragsrabatts angeboten, ihn in den sieben Jahren der nächsten Finanzplanung um insgesamt acht Milliarden Euro weniger steigen zu lassen. Dieser Betrag soll den neuen EU-Staaten in Osteuropa zugute kommen. Der britische Rabatt würde damit aber immer noch von derzeit fünf Milliarden Euro jährlich auf rund sieben Milliarden Euro wachsen. Die Gesamtausgaben würden nach dem jüngsten Vorschlag mit 849,3 Milliarden Euro bei 1,03 Prozent der Wirtschaftsleistung (Bruttonationaleinkommen) der EU liegen.

Der dänische Regierungschef Anders Fogh Rasmussen sagte, er gebe einer Einigung eine gute Chance. Dass ein Kompromiss im kommenden Jahr wohl noch schwieriger werde, erhöhe den Druck auf die Delegationen. Der polnische Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz sagte, nach den Beratungen und mehreren bilateralen Treffen sehe er eine Erfolgschance von 50 bis 60 Prozent. Wenn es auf diesem Gipfel keine Einigung gebe, dann werde Großbritannien sich künftig bei seinem Rabatt noch weniger bewegen.

"Großbritannien muss sich an den Kosten der Erweiterung beteiligen."

Auch Blair sei überzeugt, dass es "den echten Wunsch nach einem Übereinkommen" zum EU-Finanzplan gebe, sagte dessen Sprecher. Es gehe darum, dass insbesondere die neuen Mitgliedsländer entscheiden, ob sie jetzt ein möglicherweise "nicht ideales Abkommen" erhalten oder später deutlich schlechtere Regelungen hinnehmen müssten. Vor Beginn des Treffens hatte Blair noch harte Verhandlungen vorausgesagt: "Alles ist sehr in der Schwebe."

Der Präsident des Europaparlaments, Josep Borrell, warnte die Gipfelrunde vor einer Einigung auf der Basis des britischen Vorschlags. Für die EU-Finanzplanung sei die Zustimmung des Parlaments zwingend erforderlich. "Und es ist sehr klar, dass der derzeitige britische Kompromissvorschlag für das Parlament nicht akzeptabel ist", sagte er. Kanzlerin Merkel betonte, sie wolle eine Einigung, aber nicht um jeden Preis. "Wir brauchen Planungssicherheit, auch für den Aufbau in den zehn neuen Mitgliedsländern." Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker, unter dessen Vorsitz eine Einigung im Juni vor allem am Widerstand der Briten gescheitert war, sagte: "Großbritannien muss sich an den Kosten der Erweiterung beteiligen." Chirac bekräftigte die Forderung nach einer dauerhaften Kürzung des Briten-Rabatts.

Falls der Gipfel scheitert, müsste die EU auf ihrem nächsten Gipfel unter österreichischem Vorsitz im März einen erneuten Anlauf nehmen. Falls es dann weiter keine Einigung gibt, drohen sich Förderprogramme für Infrastruktur, Forschung und Entwicklung zu verzögern. Sollte es auch 2006 keinen Kompromiss geben, müsste die EU von 2007 an mit jährlichen Haushaltsplänen arbeiten.

DPA · Reuters
DPA/Reuters