First Ladys Die Mission der Laura Bush

  • von Katja Gloger
Es sieht trüb aus für George W. Bush. Gut 100 Tage nach seinem zweiten Amtsantritt sind seine Umfragewerte im Keller, selbst Parteifreunde mäkeln an seiner Politik. Wie gut, dass ihm da eine aus der Patsche hilft: First Lady Laura Bush, die perfekte Ehefrau.

Sie ist unermüdlich im Einsatz für das Gute und für ihren Mann. Vor ein paar Tagen noch stand sie mit ernster Miene und militärgrünem Mantel während der Siegesfeier auf dem Roten Platz zu Moskau. Später, im wilden Kaukasus, lächelte sie wissend, als ihr Mann in Georgien die demokratische Revolution lobte und sich über eine leidenschaftliche folkloristische Darbietung so begeisterte, dass er sekundenlang die Hüften schwang - "wie einst Elvis", hieß es, maßlos übertrieben. Kaum zurück in Washington, musste sie wegen einer verirrten Cessna über der "No-Fly-Zone" ihre Arbeit kurzfristig in den unterirdischen Bunker des Weißen Hauses verlegen.

Sie ignorierte Jetlag und Terroralarm: Wie geplant absolvierte Laura Bush am vergangenen Donnerstag einen ihrer seltenen Solo-Auftritte. Sie erklärte eine Ausstellung Roter Kleider Im Washingtoner Kennedy-Center zu ihrer "Herzensangelegenheit." Diese 18 durchweg ziemlich langweiligen Roben hatten sechs First Ladies der USA mehr oder weniger geschmückt: Hillary Clintons merkwürdiges Rollkragenkleid, Nancy Reagans knallrote Spitze, Barbara Bushs Schleifchenrock, Laura Bushs Samtjäckchen. Denn es galt, auf ein Gesundheitsproblem aufmerksam zu machen: In den USA sterben jedes Jahr eine halbe Million Frauen an Herzerkrankungen. Die meisten, weil sie zu dick sind oder weil sie rauchen.

Wegen dieser Angelegenheit von nationaler Bedeutung hatten sich an diesem frühen Vormittag die (ebenso schlanken wie Fitness-Studio gestählten) Damen der Washingtoner Society in zumeist rosafarbene Rüschen-Kostüme gekleidet, um einer fünfminütigen Rede von Laura Bush zu applaudieren. Klar auch hier die politische Hackordnung: in der ersten Reihe die Gattin von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, erst dahinter Alma Powell, Ehefrau des ehemaligen US-Außenministers.

Ein Event wie aus dem Drehbuch

der TV-Soap "Desperate Housewifes", jeder Schritt, jedes Wort inszeniert. Und natürlich machte Laura Bush auch diesmal ihre Sache perfekt: dezentes Kostüm in grau, warnende Worte über "Dickleibigkeit" und versteckte Hinweise auf eigene Diät-Qualen, natürlich abgelesen vom Redemanuskript, vorgetragen mit ihrer etwas näselnden Stimme, in ihrem leichten texanischen Akzent. Freundlich, ein wenig distanziert, interessiert.

Kein bourgeoiser Hochmut à la Jaqueline Kennedy; kein Hollywood-Geglitzer à la Nancy Reagan (die einst Porzellan für 200.000 Dollar kaufte - von Steuergeldern); keine politische Verbissenheit wie bei Hillary Clinton. Laura Bush präsentierte sich, wie sie sein soll: bodenständig, fleißig, professionell. Und an diesem Morgen fiel kein einziges Wort über ihren Mann, George W. Bush.

Und der weiß, was er an ihr hat: "Sie ist der wahre Grund, warum ich die Wahlen gewonnen habe." Als er das sagte, vor fünf Monaten, ließ sich George W. Bush in seinem Arbeitszimmer fotografieren. Zum ersten Mal hatte er im Oval Office sein Jackett abgelegt und sich hemdsärmelig präsentiert. Wichtiger noch: genau vor ihm, auf dem Schreibtisch, saß seine Frau, schaute mit ihren stechend-blauen Augen und ihrem etwas hochmütig erscheinenden Blick in die Kamera und ließ selbstbewusst die Beine baumeln. Wie eine eben, die ihren alkoholkranken Mann von der Flasche brachte und mit ihm aufstieg zum mächtigsten Ehepaar der Welt.

Doch 100 Tage

nach Beginn seiner zweiten Amtszeit läuft es gar nicht gut für George W. Bush. Er wolle ein "Präsident der Transformation" sein, hatte er nach seinem Wahlsieg erklärt. Wollte in die Geschichte eingehen als Präsident, der wirklich etwas verändert hat. Der Welt die Demokratie bringen, Terroristen besiegen und zu Hause die letzten Reste eines Sozialstaates zugunsten einer "Gesellschaft der Eigentümer" abschaffen.

Aber zurzeit herrscht "Frustration statt Transformation", so der britische "Economist". Zwei Jahre nach seinem legendären "Mission erfolgreich" Auftritt auf einem US-Flugzeugträger ("der Fallschirmspringer-Dress steht ihm gut", entzückte sich damals ein TV-Kommentator) scheint die Mission Irak gefährdeter denn je: Das Land versinkt in einer Orgie der Gewalt. Super-Terrorist Osama bin Laden lebt, und in den USA schleppt sich die angekündigte Reform des Rentensystems dahin. Abgeordnete der republikanischen Partei wollen Bush nicht folgen, sie sehen ihre Wiederwahlen gefährdet; einige unter ihnen hoffen auf eine Präsidentschafts-Kandidatur.

Der republikanische Fraktionsvorsitzende im US-Kongreß steht unter Beschuss: angeblich ließ er sich Dienstreisen in Luxushotels von Lobbyisten bezahlen. Die Benzinpreise sind so hoch wie nie und selbst die Bestätigung des erzkonservativen Wüterich John Bolton zum US-Botschafter bei der UN zieht sich seit Wochen dahin, weil sogar eingefleischte Republikaner unter den Senatoren Bedenken anmeldeten. Nur noch 31 Prozent der Amerikaner sind mit Bushs Reformpolitik zufrieden. Selbst seinem Amtsvorgänger Bill Clinton erging es besser - in dessen schlechtesten Zeiten.

Da trifft es sich gut, die perfekte Ehefrau zu haben. Gäbe es sie nicht, heißt es bei den Propaganda-Strategen im Weißen Haus, man müsste sie erfinden: Die Lehrerin und Bibliothekarin Laura Bush, die sich einst bei ihrer bärbeißigen Schwiegermutter in spe mit den Worten vorstellte: "Was ich mache? Ich lese, und ich rauche." Das Rauchen hat sie längst aufgegeben, aber beharrlich pflegt sie alte Freunde wie die 13 aus ihrem "Austin Garten-Club", die sie ins Weiße Haus einlädt. Sie ist neugierig, konzentriert und überhaupt nicht schüchtern, aber sie weiß immer, wo ihr Platz ist: Die erste Geige spielt ihr Mann, nicht sie.

Schon während des Wahlkampfes sammelte sie mit ihren "weichen" Themen Stimmen für ihren Mann, den Kriegspräsidenten. Dann schickte man sie in die Höhle des Löwen: sie hielt eine Rede beim Dinner der "White House Correspondents´Association". Einmal im Jahr feiert sich die journalistische Elite des Landes in einem Washingtoner Hotel. Das Essen ist meistens schlecht, aber man trägt Smoking und Abendrobe, Senatoren schauen vorbei, ein paar Schauspieler und auch der Präsident, der eine selbstironische Rede halten muss.

Und ausgerechnet die journalistische Elite des Landes ließ sich von Lauras Rede hypnotisieren wie Mogli von der Schlange Kaa. Laura Bush bewies "Kettensägen-Humor", so die New York Times. Outete sich als "desperate housewife", für immer gekettet an einen Ehemann, der jeden Abend um neun Uhr abends im Bett liegt und schläft. Ihre Schwiegermutter? Eine Art Don Corleone des Bush-Clans. Die Ranch in Texas? Vom Leben auf dem Land habe ihr Mann, frisch zugezogen aus den Elite-Unis an der Ostküste, zunächst so wenig verstanden, dass er einen "Hengst melken" wollte. Sogar fein dosierte Kritik an Verteidigungsminister Rumsfeld und Vizepräsident Cheney kam erlaubt. Eine tosende kleine Rede war das, jedes Wort geschrieben von einem Profi, der einst schon Witze für Ronald Reagan erfand.

Denn "desperate housewife" Laura Bush hatte noch keine einzige Folge der erfolgreichen TV-Serie gesehen. Und selbst die angeblich "zufällige" Unterbrechung ihres Mannes mit den Worten "Nicht schon wieder dieser Uralt-Witz, nicht schon wieder..." war sekundengenau geplant. Und wer hatte die Idee? Es war Präsident George W. Bush. "Wir wollten das mal mischen", sagte er, begeistert über den Erfolg. Erst Tage später kam ein Kommentator zu sich: "Sie war lustig, aber wie konnte es geschehen, dass ein ganzer Ballsaal voller Reporter aufsprang und in Begeisterungsstürme verfiel wie überzeugte Parteigänger während eines Polit-Kongresses? Man wollte uns glauben machen, dass wir die wahre Laura Bush erlebt haben. Das war Mission Laura Bush. Und zwar erfolgreich erledigt."

Und sie wird auch in den nächsten Jahren da sein, die perfekte Ehefrau, mit näselnder Freundlichkeit und eigens für sie geschriebenen Witzen - dann nämlich, wenn sich eine Demokratin zur Präsidentschaftskandidatin küren will: Hillary Rodham Clinton. "Mission Laura Bush" ist noch lange nicht beendet.

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