Im Skandal um die Misshandlungen irakischer Gefangener hat der britische Premierminister Tony Blair den Betroffenen eine eindeutige Entschuldigung übermittelt. Ein solches Verhalten britischer Soldaten sei "vollkommen inakzeptabel", sagte Blair im französischen Fernsehen. Der britische Verteidigungsminister Geoff Hoon will am Montagnachmittag im Unterhaus zu den Foltervorwürfen Stellung nehmen. Dabei sollte es auch um die Frage gehen, seit wann die Regierung von den Vorfällen wusste.
Nur die Taten "einiger weniger"
"Wir entschuldigen uns bei jedem, der von einem unserer Soldaten misshandelt wurde", sagte Blair am Sonntagabend während eines Besuchs in Paris. Die Verantwortlichen würden entsprechend der Militärgesetze bestraft. Zugleich betonte Blair aber, dass sich meisten britischen Soldaten korrekt verhielten: "Die Taten einiger weniger sollten nicht von der Arbeit ablenken, die die große Mehrheit leistet."
Aus Blairs Büro hieß es, die Entschuldigung dürfe nicht als Eingeständnis gewertet werden, dass alle Vorwürfe berechtigt seien. Sollten konkrete Anschuldigungen aber zutreffen, "dann ist der Premierminister selbstverständlich der Ansicht, dass es richtig ist, sich für solch unannehmbares Verhalten zu entschuldigen, und dass die Verantwortlichen bestraft werden sollten".
Erste Rücktrittsforderungen
Sogar aus den eigenen Reihen wurde erste Rücktrittsforderungen laut. Die Labour-Partei könnte beschädigt werden, sollte Blair weiter im Amt bleiben, meinte Lord David Puttnam, Sozialdemokrat und persönlicher Freund des Premiers. "Der Premierminister wird gedanklich mit dem Irak verknüpft, und aus dem Irak werden nur schlechte Nachrichten kommen", sagte Puttnam dem TV-Sender ITV News. "Wenn ich er wäre, würde ich vor den (parlamentarischen) Sommerferien gehen", sagte er. Puttnam zufolge sollte Blair das Amt für den derzeitigen Finanzminister Gordon Brown freimachen.
Informationen von AI und IKRK
Am Wochenende hatte die Londoner Regierung mitgeteilt, sie habe im Februar einen Bericht des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) erhalten, in dem die Misshandlungsvorwürfe dargelegt worden seien. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erklärte dagegen, sie habe die britische Regierung bereits im Mai vergangenen Jahres darüber informiert, dass Häftlinge in Basra gefoltert worden seien. Mindestens ein Gefangener sei an den Folgen gestorben. Die Regierung habe darauf jedoch nicht reagiert.
Blair sagte indessen am Montag vor Journalisten, ihm seien die konkreten Vorwürfe gegen britische Soldaten erst in den letzten Tagen bekannt geworden. Bis dahin seien die übermittelten Informationen nur vage gewesen. Auch seine Minister hätten von der Sache letztlich erst aus der Presse erfahren. Blair bekräftigte bei einer Gewerkschaftsveranstaltung anlässlich der bevorstehenden Europawahl, dass er für eine volle Aufklärung der Vorwürfe sorgen werde.
Früherer CIA-Chef fordert Entlassung von Generälen
Der frühere CIA-Chef Admiral Stansfield Turner forderte in einem Interview des BBC-Rundfunks die Entlassung von ranghohen Kommandeuren der Koalitionstruppen in Irak. Diese hätten den Soldaten offensichtlich den Eindruck vermittelt, dass Misshandlungen von Gefangenen begrüßt oder zumindest geduldet würden. Für die amerikanischen Truppen ergebe sich diese Haltung aus der generellen Einstellung der Regierung von George W. Bush zu Regeln und Gesetzen.
"Von Anfang an, aber noch mehr seit dem 11. September 2001 hat die Regierung immer nur das getan, was sie für notwendig hielt, um ihre Ziele zu erreichen - ohne sich darüber Sorgen zu machen, ob dies mit Gesetz und Anstand vereinbar war", zitierte die britische Inlandsnachrichtenagentur Press Association den Admiral. Dies verbunden mit einer chaotischen Verwaltung des irakischen Gefängniswesens habe die Misshandlungen erst möglich gemacht. Deshalb sollte mindestens ein ranghoher General entlassen werden, forderte Turner.