Seine-Port Warum ein kleines Dorf in Frankreich beschlossen hat, Smartphones zu verbannen

Frau sitzt mit einem Buch an der Seine in Frankreich
In der kleinen Stadt Seine-Port sind in Büchern versunkene Menschen vielleicht bald wieder ein häufigeres Bild, die kleine Stadt hat beschlossen, ein Smartphone Verbot einzuführen.
© Benoit Durand / Picture Alliance
Seine-Port, ein kleines Dorf in Frankreich, 2000 Einwohner, hat Mobiltelefonen den Kampf angesagt. Erwachsene sollen darauf verzichten, die Maßnahme zielt aber auf andere.

Seine-Port liegt etwa eine Autostunde südlich von Paris. Im November 1921 wurde hier Frankreichs erste Radiosendung in den Äther gefunkt, aber davon mal abgesehen dürfte die kleine Gemeinde nur Wenigen bekannt sein. Nun aber: eine Kampfansage, einmalig im ganzen Land. 

Seit einer Woche gibt es in dem Städtchen mit knapp 2000 Einwohnern ein Handy-Verbot für den öffentlichen Raum. Beim Einkaufen, Spazierengehen oder Rumsitzen muss das Mobiltelefon in der Tasche bleiben. Vor allem gilt dies in der Umgebung der Schulen, denn in Seine-Porte sorgt man sich darum, dass die Kids zu viel am Bildschirm kleben.   

Kleines Dorf, große Reaktion

Die Idee von einer Smartphone-freien Zone geht auf den Bürgermeister zurück. Vincent Paul-Petit von den konservativen Les Républicains regiert den Ort seit 2020. "Wenn die Kinder und Jugendlichen aus der Schule kommen, reden sie nicht mehr miteinander. Sie gucken auf ihre Telefone", sagt er dem französischen Online-Magazin "20 Minutes". 

Als "kleine Provokation" habe er die Anti-Handy-Verordnung auf den Weg gebracht, die den Bürgerinnen und Bürgern zur Abstimmung vorgelegt wurde: 146 Wahlberechtigte votierten für seinen Vorschlag, 126 dagegen. Eine eher mäßige Wahlbeteiligung. Aber eine, die in ganz Frankreich für Aufmerksamkeit sorgt: Es ist das erste Mal, dass eine Gemeinde sich selbst verordnet, Mobiltelefone zu verbannen. 

Ungewöhnlich ist das Verfahren jedoch nicht: Auf lokaler Ebene gibt es in Frankreich regelmäßig Referenden, bei denen Bewohnerinnen und Bewohner mittels Bürgerentscheid darüber mitbestimmen können, was in ihrer Gemeinde gelten soll. In Paris wurden auf diese Weise im vergangenen Jahr die elektronischen Miet-Roller aus der Stadt verbannt – und kürzlich eine erhöhte Parkgebühr für SUVs beschlossen. 

Im kleinen Seine-Port sind die Anwohner mit ihrer Abstimmung streng genommen sogar dem Präsidenten im Élysée-Palast einen Schritt voraus: Auf seiner groß angelegten Pressekonferenz im Januar hatte Emmanuel Macron angekündigt, dass eine Expertengruppe Vorschläge erarbeiten solle, wie der Zugang von Kindern und Jugendlichen zu Smartphones oder Tablets besser reguliert werden könne. Lokalpolitiker Vincent Paul-Petit sagt, er wolle sich nicht in das Leben der Menschen einmischen, aber mit konkreten Regeln einen Anreiz schaffen, der zum Nachdenken anrege: In seiner Gemeinde wird den Schülerinnen und Schülern künftig ein einfaches Telefon angeboten, wenn die Eltern versprechen, bis zur Oberstufe auf den Kauf eines Smartphones zu verzichten.    

Im juristischen Sinne verboten sind Handys in Seine-Port jedoch nicht, es darf auch niemand bestraft werden, der sich der bürgermeisterlichen Anordnung widersetzt. Vincent Paul-Petit und seine Mitstreiter sehen das ganze als fürsorgliche Erziehungsmaßnahme: Die Erwachsenen sollen Vorbilder sein und häufiger mal aufs Scrollen verzichten. 

Und die Eltern könnten sich nun auf den Bürgermeister berufen, wenn es mit dem Nachwuchs Streit um Bildschirmzeiten gebe. Auf diese Art, so hofft man, werde auch die gute alte Tradition des Straßengesprächs wiederbelebt. Direkter Kontakt und Zeit für einen Schwatz an der Ecke – es liegt auch ein Hauch von Nostalgie über dem Projekt, mit dem die Jugendlichen im Ort vermutlich nicht viel anfangen können. Als Ausgleich hat sich die Gemeinde verpflichtet, die Freizeitangebote zu verbessern: Ein Sportbereich und ein Filmclub sollen eingerichtet werden. Und sonst können die Kids ja immer noch zusammen Radio hören – allerdings nicht über Stream.

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