Französische Presse zur Bettencourt-Affäre "Eine verdächtige Nähe zwischen Politik und Geld"

Die Affäre um die L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt dominiert auch am Montag die Zeitungen in Frankreich. Stern.de wirft einen Blick in die katholische Tageszeitung "La Croix", die kommunistische "L'Humanité" und die Pariser Zeitung "Libération".

Die katholische Zeitung "La Croix" kritisiert schon seit Tagen die andauernde Kontroverse um möglicherweise illegale Parteienfinanzierung in Frankreich und warnt davor, die großen Probleme des Landes aus den Augen zu verlieren:

"Frankreich sieht sich heute mit ernsten Herausforderungen konfrontiert: Mit der Rentenreform, dem Abbau des staatlichen Defizits, dem Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, die weitgehend unbeachtet ansteigt. Das Land darf daher seine Energie nicht in zerstörerischen Streitereien vergeuden. Diese Warnung gilt für die Oppositionsparteien und die Medien. Sie gilt aber genauso für die Regierung und ihre Sprecher, deren Reaktionen oft unverhältnismäßig sind. Wie die von Xavier Bertrand (dem Chef der konservativen Regierungspartei UMP), der der Internet-Zeitung Mediapart 'faschistische Methoden' vorgeworfen hat."

Die kommunistische Zeitung "L'Humanité" kommentiert die Rückzahlung von 30 Millionen Euro Steuern an die Miliardärin und L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt:

"Die engen Beziehungen zwischen der Frau mit dem drittgrößen Vermögen in Frankreich und dem (ehemaligen) Finanzminister - der am meisten von denen verlangt, die am wenigsten besitzen - schockiert die Öffentlichkeit. (...) Was auch immer (der heutigen Arbeitsminister) Eric Woerth sagen mag, um sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen: Die Rückzahlung von 30 Millionen Euro an Liliane Bettencourt, im Rahmen der (vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy beschlossenen) Begrenzung des höchsten Steuersatzes (...) erscheint nicht nur als Ungerechtigkeit, sondern vor allem als Beweis dafür, dass diese Regierung Geld von den Armen nimmt, um es den Reichen zu schenken."

In eine ähnliche Kerbe schlägt die Pariser "Libération", eine der größeren französischen Tageszeitungen:

"Die Affären zeigen ein anderes Frankreich. Ein Land, in dem ein Gigolo (von der Milliardärin und L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt) eine Insel geschenkt bekommt. Ein Land, in dem ein Minister auf Kosten der Steuerzahler Zigarren für 12.000 Euro raucht. Dies ist sechs Mal mehr, als Otto Normalverbraucher für seinen Urlaub ausgibt. Ein Frankreich, in dem ein anderer Minister 7500 Euro vom Arbeitgeber seiner Frau erhält - von einem Mann, der damit prahlt, dass er die Steuerflucht der reichsten Frau Frankreichs organisierte. (...) Vielleicht ist dies alles nicht illegal, wenn man den Interessenkonflikt aus einer engen juristischen Perspektive betrachtet. Doch es zeugt von einer zumindest verdächtigen Nähe zwischen Politik und Geld."

AFP
jwi/AFP