Fragen und Antworten Rakete trifft Krankenhaus im Gazastreifen und tötet Zivilisten: Was wir wissen und was nicht

Das Al-Ahli-Arab-Krankenhaus im Gazastreifen wurde am Dienstag mutmaßlich von einer Rakete getroffen
Das Al-Ahli-Arab-Krankenhaus im Gazastreifen wurde am Dienstag mutmaßlich von einer Rakete getroffen
© Shadi AL-TABATIBI / AFP
Erneut erschüttern Bilder aus dem Gazastreifen: Zivilisten sind mit Staub bedeckt, teils blutüberströmt, Kinder und Frauen weinen. Hintergrund ist ein Raketeneinschlag in ein Krankenhaus. Die Kriegsparteien beschuldigen sich gegenseitig. Was bisher bekannt ist.

Vor über einer Woche eskalierte der ewig schwelende Konflikt zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden terroristischen Hamas. Menschen wurden getötet und entführt, es folgten Vergeltungsanschläge, Bomben und Raketen flogen auf beiden Seiten und töteten Soldaten und Zivilisten. Nun folgte ein weiterer großer Knall in dem blutigen Konflikt: Am Dienstagabend soll das größte Krankenhaus im Gazastreifen von einer Rakete getroffen worden sein. Hunderte Zivilisten sollen nach palästinensischen Angaben gestorben sein.

Bestürzung, Trauer, Wut und Empörung sind groß – und das weltweit. Jetzt geht es um die Schuldfrage. Israel streitet ab, es gewesen zu sein, seine Nachbarn sehen das anders. Ein Überblick über das Geschehen, die Lage und was folgt.

Was ist passiert?

Am Dienstagabend gab es beim Al-Ahli-Arab-Krankenhaus in der Hauptstadt Gaza-Stadt einen Raketeneinschlag. Zunächst war nicht ganz klar, ob das Krankenhaus getroffen wurde oder ob die Rakete daneben einschlug. Auch über die Zahl der Getöteten gibt es widersprüchliche Angaben. Der Leiter des Zivilschutzes im Gazastreifen sprach im Sender Al-Dschasira von mindestens 300 Toten. Das Gesundheitsministerium im Gazastreifen nannte mindestens 500 Tote und Verletzte. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen.

Israel zweifelt die Zahlen der den Hamas unterstehenden Behörden an und verweist darauf, dass die Rakete das Krankenhaus nicht direkt getroffen habe, sondern auf einem Parkplatz in der Nähe eingeschlagen sei. Als Beweis führt das israelische Militär ein Video an, in dem die Region vor und nach dem tragischen Vorfall verglichen wird. Die genaue Zahl der Todesopfer ist weiterhin unklar.

Wer steckt hinter dem Raketenangriff?

Auch das ist derzeit noch unklar. In der arabischen Welt ist man sich überwiegend einig, dass Israel die Rakete auf die Klinik abgefeuert habe. Die Hamas und der türkische Präsident Recep Tyyip Erdogan waren die Ersten, die Israel öffentlich beschuldigten. Letzterer wiederholte diese Anschuldigung jedoch später nicht mehr.

Israel wiederum macht den Islamischen Dschihad für das Unglück verantwortlich und beruft sich dabei auf Informationen des Geheimdienstes. Die militante Palästinenserorganisation kämpft an der Seite der Hamas gegen Israel und bestreitet die Verantwortung bisher. Eine Analyse habe ergeben, dass "Terroristen in Gaza zuvor eine Ladung Raketen abgefeuert" hätten, die zum Zeitpunkt des Einschlags in unmittelbarer Nähe des betroffenen Krankenhauses vorbeigezogen seien. Zwar räumte der Militärsprecher Daniel Hagari ein, dass sein Land nicht über alle Informationen verfüge, kündigte aber Beweise an, die belegen sollen, dass Israel keine Schuld trifft.

Die im Westjordanland herrschende palästinensische Autonomiebehörde hat am Mittwochabend eine Untersuchung des Vorfalls durch den Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) beantragt.

Welche Beweise gibt es?

Israels Militär veröffentlichte Luftaufnahmen, die zeigen sollen, dass eine fehlgeleitete Rakete des Islamischen Dschihad in dem Krankenhaus eingeschlagen ist. Das Video zeigt das Krankenhaus und einen Parkplatz, auf dem ein Brand ausgebrochen war. In dem Beitrag wird die Region vor und nach dem Raketeneinschlag verglichen. Es sei kein typischer Krater zu sehen, wie er sonst bei israelischen Luftangriffen entstehe, hieß es.

Israels Armeesprecher Jonathan Conricus sprach dem US-Sender CNN gegenüber von einem abgehörten Gespräch zwischen Hamas-Terroristen. Sie hätten gesagt: "Oh, da gab es offenbar eine Fehlfunktion oder eine Explosion einer Rakete, die im Gazastreifen gelandet ist." Zudem sei kurz vor dem Vorfall eine Salve von Raketen aus dem mittleren oder nördlichen Abschnitt des Gazastreifens in Richtung Israel abgefeuert worden. Diese sei auf Israels Radarsystem verzeichnet worden.

Belege dafür, dass Israel das Krankenhaus mit einer Rakete angegriffen und dabei Zivilisten getötet habe, legten weder die Hamas, noch der Islamische Dschihad vor. Die Parteien verurteilten allerdings Israels anhaltende Angriffe auf Zivilisten im Gazastreifen.

Video: Offenbar Hunderte Tote bei Beschuss von Gaza-Klinik
Offenbar Hunderte Tote bei Beschuss von Gaza-Klinik

Sämtliche Angaben konnten bisher nicht unabhängig geprüft werden.

Wie positionieren sich andere Staaten?

In der arabischen und muslimischen Welt herrscht weitestgehend Einigkeit darüber, dass Israel für den Raketeneinschlag verantwortlich ist. Der Beschuss eines Krankenhauses, in dem Frauen, Kinder und unschuldige Zivilisten untergebracht seien, sei das jüngste Beispiel für israelische Angriffe, die frei seien von den grundlegendsten menschlichen Werten, teilte Erdogan am Dienstagabend auf der Plattform X (vormals Twitter) mit. Einen Tag später sprach der türkische Präsident gar von "Völkermord", vermied jedoch eine direkte Schuldzuweisung.

Auch Ägypten, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Marokko, der Iran, Bahrain, die Hisbollah-Miliz im Libanon und Jordanien machen Israel verantwortlich.

Der Westen äußerte vor allem Bestürzung. Die USA, Frankreich und Deutschland verurteilten den Angriff auf Zivilisten, beschuldigten aber niemanden. Emmanuel Macron forderte eine rasche Aufklärung, Großbritannien teilte mit, sich daran beteiligen zu wollen. Joe Biden geht wohl nicht von einem israelischen Angriff aus. Bei seiner Ankunft in Tel Aviv, sagte der US-Präsident, es sähe so aus, als "ob es vom anderen Team gemacht wurde". Wen er genau meinte, blieb unklar. In der Bevölkerung war die Haltung eindeutiger. Unter anderem in Deutschland kam es zu gewaltsamen Protesten und Krawallen pro-palästinensischer Gruppen.

Anmerkung der Redaktion: Die Überschrift des Artikels wurde nachträglich geändert, um deutlich zu machen, dass die genaue Anzahl der Todesopfer nicht bekannt ist.

Quellen: CNN, "Zeit Online", mit Material von DPA und AFP