Nach der Ausstrahlung von Fernsehbildern gefangener irakischer und US-Soldaten haben Politiker und Rotes Kreuz auf die Genfer Konventionen hingewiesen. Grundgedanke der Genfer Konventionen und des humanitären Völkerrechts ist der Schutz von Individuen bei internationalen kriegerischen Auseinandersetzungen. Damit unterscheiden sie sich von den so genannten Menschenrechten, die immer ihre Gültigkeit haben und auch den eigenen Bürgern der jeweiligen Staaten zustehen.
Recht auf Schutz und Hilfeleistung
Die nach den Erfahrungen im Krimkrieg und dem italienisch-österreichischen Krieg zu Stande gekommene erste Genfer Konvention von 1864 sprach den Kriegsverletzten auf dem Schlachtfeld das Recht auf Schutz und Hilfeleistung zu. Die vier Konventionen von 1949 dehnten den humanitären Schutz auf die Verletzten zur See, die Kriegsgefangenen und Zivilisten aus. Dies war besonders eine Folge des Zweiten Weltkriegs. Damals hatte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) mangels rechtlicher Grundlage tatenlos den Misshandlungen in den Konzentrationslagern der Nazis zusehen müssen. Denn bei diesen Gefangenen handelte es sich fast ausschließlich um Zivilpersonen, denen die vorhandene Konvention keinen Schutz gewährte.
Artikel 13 des III. Abkommens besagt, dass Kriegsgefangene jederzeit mit Menschlichkeit behandelt werden müssen.
"Die Kriegsgefangenen sind jederzeit mit Menschlichkeit zu behandeln. Jede unerlaubte Handlung oder Unterlassung Seitens des Gewahrsamsstaates, die den Tod oder eine schwere Gefährdung der Gesundheit eines in ihrem Gewahrsam befindlichen Kriegsgefangenen zur Folge hat, ist verboten und als schwere Verletzung des vorliegenden Abkommens zu betrachten. Insbesondere dürfen an den Kriegsgefangenen keine Körperverstümmelungen oder medizinische oder wissenschaftliche Versuche irgendwelcher Art vorgenommen werden, die nicht durch die ärztliche Behandlung des betreffenden Kriegsgefangenen gerechtfertigt sind und nicht in seinem Interesse liegen. Die Kriegsgefangenen müssen ferner jederzeit geschützt werden, namentlich auch vor Gewalttätigkeit oder Einschüchterung, Beleidigungen und der öffentlichen Neugier. Vergeltungsmaßnahmen gegen Kriegsgefangene sind verboten."
Laut IKRK verstoßen Fernsehbilder von Kriegsgefangenen gegen diesen Artikel.
Die Schweiz ist Dispositarstaat der Genfer Abkommen
Das erste Zusatzprotokoll von 1977 gewährt den Schutz der Konventionen von 1949 ebenfalls den Mitgliedern milizartiger Verbände. Das zweite Protokoll erweiterte den Gültigkeitsbereich der Vereinbarungen von 1949 auf kriegerische Auseinandersetzungen ohne internationalen Charakter, also auf bürgerkriegsähnliche Situationen wie im ehemaligen Jugoslawien. Die Schweiz ist Dispositarstaat der Genfer Abkommen und Gastgeber aller diplomatischen Konferenzen über das humanitäre Völkerrecht.
Artikel 4 definiert Kriegsgefangene in mehrere Kategorien. Dazu zählen zunächst die in "Feindeshand" gefallenen "Mitglieder einer am Konflikt beteiligten Partei", aber auch Angehörige von "anderen Milizen und Freiwilligenkorps, die in diese Streitkräfte eingegliedert sind". Unter bestimmten Bedingungen fallen auch Mitglieder von "organisierten Widerstandsbewegungen" und sogar Kriegsberichterstatter und "Heereslieferanten" bei Gefangennahme unter den Schutz der Konvention.
Die Artikel 12 bis 16 legen den allgemeinen Schutz der Gefangenen fest, etwa dass der "Gewahrsamsstaat" für ihre Behandlung verantwortlich ist (Artikel 12), dass sie "jederzeit mit Menschlichkeit behandelt werden" müssen, jede "rechtswidrige Handlung oder Unterlassung", die den "Tod oder eine schwere Gefährdung der Gesundheit ... zur Folge hat, untersagt ist". Die Gefangenen sind "insbesondere auch vor Gewalttätigkeit oder Einschüchterung, Beleidigungen und öffentlicher Neugier" zu schützen (13). Sie haben "unter allen Umständen Anspruch auf Achtung ihrer Person und ihrer Ehre" (14), Unterhalt und ärztliche Betreuung (15). Sie sind gleich zu behandeln - ohne Unterschied von Dienstgrad, Rasse, Religion und anderen Merkmalen (16).
Zehn Artikel über Straf- und Disziplinarmaßnahmen
Gefangene müssen nach ihrer Festnahme nur ihren Namen, Dienstgrad und Geburtsdatum nennen. Zu irgendwelchen anderen Auskünften können sie "weder (durch) körperliche noch seelische Folterungen" gezwungen werden (17). Sie sind "möglichst bald" in Lager außerhalb der Gefahrenzone zu bringen (19). Im Detail regelt Abschnitt II der Konvention in sieben Kapiteln vor allem "Unterkunft, Verpflegung und Bekleidung", "Gesundheitspflege und ärztliche Betreuung", ferner das Recht auf Religionsausübung sowie geistige und körperliche Betätigung.
Unter "Disziplin" ist etwa festgehalten, dass Gefangene ohne Offiziersrang die gegnerischen Offiziere zu grüßen haben (39). Die Vorschriften über Straf- und Disziplinarmaßnahmen umfassen zehn Artikel. Unter Berücksichtigung ihres Dienstgrads und Alters dürfen gesunde Gefangene zur Arbeit herangezogen werden, heißt es in Artikel 49 im Abschnitt III. Auch die Kontakte zur Außenwelt sind im Einzelnen geregelt: Artikel 71 erlaubt Kriegsgefangenen "Briefe und Postkarten abzuschicken und zu empfangen"; die Postsendungen unterliegen allerdings der Zensur. Kriegsgefangene dürfen sich über Vertrauensmänner oder direkt über ihre Lebensbedingungen beschweren (Abschnitt VI). Vertreter des Internationalen Roten Kreuzes haben jederzeit Zutritt zu den Lagern. Nach Ende des Krieges sollen die Gefangenen "ohne Verzug" frei gelassen werden (118).