Er ist weder studierter Ökonom, noch hat er bei Goldman Sachs gearbeitet. Seiner Familie gehören keine 13 Mietshäuser, weder ist er Jude, noch mussten seine Vorfahren vor den Nazis fliehen. Auch kein Opfer des Anschlags auf den Pulse-Club in Orlando 2016 hatte für ihn gearbeitet. Stattdessen wohnt der 34-jährige Katholik bei seiner Schwester, hat 12.000-Dollar Mietschulden, wurde in Brasilien wegen Scheckbetrugs verurteilt und muss sich für eine halbe Million Dollar rechtfertigen, die er trotz eines Offenbarungseids seiner eigenen Wahlkampagne zur Verfügung stellte.
"Atemberaubende Lügen und Ungereimtheiten"
Kurzum: Die steile und ungewöhnliche Karriere des frisch gewählten US-Abgeordneten George Santos könnte vorbei sein, bevor sie überhaupt angefangen hat.
Wenige Tage nachdem er in einem Interview eingeräumt hatte, dass Teile seines Lebenslaufs stark übertrieben oder schlicht erfunden waren, hat die New Yorker Staatsanwältin Anne Donnelly Ermittlungen gegen den Republikaner eingeleitet. Die "Lügen und Ungereimtheiten", die mit Santos in Verbindung gebracht werden, seien "schlichtweg atemberaubend", heißt es in ihrer Erklärung.
Die Einwohner seines Wahlbezirks in Nassau County im US-Bundesstaat New York müssten "einen ehrlichen und rechenschaftspflichtigen Vertreter im Kongress haben", so Donnelly weiter. "Niemand steht über dem Gesetz, und wenn in diesem Landkreis eine Straftat begangen worden ist, werden wir sie strafrechtlich verfolgen."
George Santos entschuldigt sich in der "New York Post"
Bis zu dem Punkt, an dem diverse Medien erste Zweifel an seiner Biografie äußerten, wurde der gebürtige Brasilianer von der konservativen Partei beinahe als Star gefeiert. Nicht nur, dass er als Republikaner in einer Hochburg der Demokraten, also einen traditionell linksliberalen Wahlkreis gewonnen, und seiner Partei zur knappen Mehrheit im Repräsentantenhaus verholfen hat, der Mann lebt auch noch offen homosexuell – eine Eigenschaft, die im republikanischen Milieu immer noch ungewöhnlich ist.
Doch dann veröffentlichte die "New York Times" vor Weihnachten Recherchen, die seine im Wahlkampf gemachten Angaben zu Studium und Karriere anzweifelten. Als Reaktion auf den Artikel hatte Santos zunächst eine Mitteilung seines Anwalts veröffentlicht, in der dieser die Zeitung beschuldigte, mit "verleumderischen Anschuldigungen" Santos' "guten Namen zu beschmutzen". Mitglieder der Demokratischen Partei forderten Kevin McCarthy, republikanischer Fraktionschef auf, über den Ausschluss Santos' abstimmen zu lassen, falls der nicht von sich aus zurücktreten sollte.
Innerparteilicher Widerstand
Im Interview mit dem erzkonservativen Boulevardblatt "New York Post" entschuldigte sich Santos dafür, seinen Lebenslauf "ausgeschmückt" zu haben. Von einem Rücktritt aber will er nichts wissen. "Ich bin kein Krimineller", erklärte er dem Blatt. "Ich beabsichtige, meine Versprechen gegenüber meinen Wählern einzulösen. Dafür haben mich die Leute auch gewählt und ich habe weder hier noch irgendwo anders auf der Welt ein Verbrechen vergangen".
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Doch auch in George Santos' eigener Partei bildet sich Widerstand. Der Vorsitzende der Republikanischen Jüdischen Koalition, Matt Brooks, verkündete jüngst, Santos würde der Öffentlichkeit eine Erklärung zu seiner Person schulden. Es wäre sehr beunruhigend, wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten würden.
Quellen: DPA, "Washington Post", "New York Post", CNN, "New York Times"