George Santos wurde im November für einen New Yorker Bezirk ins Repräsentantenhaus gewählt. Seit Beginn der Woche steht der Republikaner allerdings nicht aufgrund seines Wahlerfolges in den Schlagzeilen der US-amerikanischen Presse. Santos wird vorgeworfen, große Teile seiner akademischen und professionellen Laufbahn vorgetäuscht zu haben. Zudem soll er falsche Angaben zu seinen Finanzen und einer eigenen Tierschutzorganisation getätigt haben.
Nun kommen auch Zweifel an Santos' Herkunft auf. In den letzten Jahren hatte der aus Brasilien stammende Politiker stets die emotionale Geschichte seiner jüdischen Großeltern verbreitet. Er behauptet, sie wären während des Zweiten Weltkriegs und dem Holocaust aus Belgien nach Brasilien ausgewandert. Wie CNN und das jüdische Nachrichtenportal "Forward" berichten, ist auch dieser Teil seiner Biografie frei erfunden.
George Santos: Keine Hinweise auf Flucht seiner Großeltern
Santos gab an, dass seine Großeltern mütterlicherseits während des Zweiten Weltkriegs als ukrainische Juden in Belgien lebten. Er nannte sich daher im Wahlkampf auch immer wieder "halb jüdisch" oder bezeichnete sich als "jüdischen Latino". Einige Jahre bevor Santos' Großeltern vor den Nationalsozialisten nach Südamerika geflohen sein sollen, wäre die Familie bereits Stalin und der Sowjetunion entkommen und hätte sich in Belgien niedergelassen.
Auch nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine im Februar dieses Jahres wiederholte Santos seinen persönlichen Bezug zu der Region immer wieder. "Meine Großeltern haben den Holocaust überlebt. Diese Regime – Sozialismus, Marxismus – sie funktionieren nicht und führen zu sehr viel Leid. Das sieht man auch an der derzeitigen Situation in der Ukraine", sagte er bei einem Interview im Mai.
Recherchen von Forward und CNN decken nun auf, dass es keine Beweise oder Anhaltspunkte für die Wahrheit dieser Familiengeschichte gibt. Mehrere Ahnenforscher, sogenannte Genealogen, bestätigten dies auf Anfrage der Zeitungen. Auch das Holocaust Museum und das "International Center on Nazi Prosecution", welche Unterlagen und Aufzeichnungen über jüdische Geflüchtete verwahren, konnten keine Angehörigen von George Santos ausfindig machen. Es gebe keine Hinweise auf eine jüdische oder ukrainische Herkunft, geschweige denn auf einen Namenwechsel im Laufe des letzten Jahrhunderts.
Republikanische Jüdische Koalition fordert Erklärung
In einem anderen öffentlichen Auftritt hatte Santos angegeben, seine Familie hätte auf der Flucht ihren Namen geändert, um den Nazis zu entkommen. Die Aufarbeitung seiner Familiengeschichte legt allerdings nahe, dass Santos' Großeltern, Paolo und Rosalina Devolder, beide in Brasilien geboren sind. Demnach wurde Santos' Großvater Paulo 1918 in Rio geboren. Genau wie seine Großmutter Rosalina im Jahr 1927. Santos' Mutter Fatima Aziza Caruso Horta Devolder, die 2016 verstarb, wurde 1962 in Niterói, einem Vorort von Rio de Janeiro geboren. Es ist bestätigt, dass sie das Kind von Paul und Rosalina Devolder ist. Zudem existiert ein Foto von Santos' Urgroßvater Leonard Antoine Horta Devolder und seiner Familie – ebenfalls in Brasilien aufgenommen.
Natürlich kann es sein, dass Santos' Großeltern nach Europa und schließlich wieder zurück nach Brasilien gezogen sind. Allerdings gibt es dafür keinen Hinweis. Genauso wenig wie für die Behauptung, seine Großeltern kämen aus einer jüdischen, verfolgten Familie. Santos' Mutter war vor ihrem Tod ausgesprochene Christin. Auch George Santos selbst bezeichnet sich als Katholik. Er behauptet, seine Großeltern wären während des Aufstiegs der Nazis zum Christentum konvertiert.
Donald Trump will zurück ins Weiße Haus – diese Republikaner könnten ihm gefährlich werden

Wie bereits Anfang der Woche wollte sich Santos bisher nicht zu den neuerlichen Anschuldigungen äußern. Sein Anwalt ließ verlauten, dass der 34-Jährige lediglich das Opfer einer Schmierkampagne der New York Times wäre. Sein demokratischer Kontrahent Robert Zimmerman hatte bereits im Wahlkampf Zweifel an Santos Legitimität angebracht.
Auch in George Santos' eigener Partei bildet sich nun langsam Widerstand. Der Vorsitzende der Republikanischen Jüdischen Koalition, Matt Brooks, verkündete in einem Statement am Mittwoch der Abgeordnete Santos würde der Öffentlichkeit eine Erklärung zu seiner Person schulden. Es wäre sehr beunruhigend, wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten würden.
Quellen: New York Times, CNN, Forward, Twitter Matt Brooks