Er hat Gordon Brown wieder eingeholt, dieser epische Streit mit Tony Blair. Zehn Jahre lang haben sich die beiden Schwergewichte der britischen Labour-Partei in der Downing Street beharkt. Nach außen drangen immer wieder Anekdoten über legendäre Schrei-Duelle, über eifersüchtige Machtspielchen und voluminöse Vorwürfe. Gordon Brown soll Tony Blair nie verziehen haben, dass er nicht - wie angeblich versprochen - seinen Platz als Premier nach vier Jahren für ihn räumte. Und Tony Blair soll Gordon Brown mit Hilfe seiner vielen Vertrauten immer wieder als launisch, besessen und eigenbrötlerisch beschrieben haben.
Das alles sollte ein Ende haben, als Tony Blair im Juni vergangenen Jahres nach viel Zerren und Gezeter seinen Platz Gordon Brown überließ. Nicht nur das: Blair gab auch seinen Sitz im Parlament auf und verließ als Vermittler im Mittleren Osten das Land. Es sah nach einem wirklichen Schnitt aus, einem Ende der Grabenkämpfe zwischen Blairites, den Anhängern von Tony, und den Brownites, den Politikern, die schon seit Jahren forderten, dass endlich der wahre Kopf hinter dem Konzept von New Labour, dass endlich Gordon Brown die Geschicke des Landes bestimmen sollte.
Endlich ein Mann, der für Substanz steht
Doch mit Tony Blair verschwanden die Grabenkämpfe nicht, sie wurden nur zugedeckt. Das funktionierte, solange Gordon Brown auf einer Welle der Sympathie getragen wurde. Und in den heutigen Zeiten kann schnell vergessen werden, was für Lobeshymnen auf Brown gesungen wurden im vergangenen Sommer: Endlich ein Mann, der für Substanz steht und nicht mehr für die Spin-Kampagnen des Tony Blair, ein Neuanfang, der Mann, der Labour wieder den Menschen nahe bringt, weil er nicht sein eigenes Charisma feiert, sondern seine Arbeit macht, der Sohn eines schottischen Predigers, protestantisch, bodenständig. Es ist noch kein Jahr her, da feierte die Labour-Partei ihren neuen Premier auf dem Parteitag im vergangenen September. Und war ganz einverstanden, dass der sich distanzierte von den zehn Jahren des Blair-Projektes.
Die Kritiker Browns schwiegen damals. Und holen jetzt ihre alte Waffe wieder heraus: Tony Blair. Am Sonntag tauchte plötzlich in der weit rechts stehenden Zeitung "Mail on Sunday" ein Brief auf, den Tony Blair im vergangenen Herbst an einen Vertrauten in der Partei geschrieben haben soll. Er verurteilt in sehr scharfen Worten die "Hubris und Leere" der Brownschen Parteiveranstaltung, sagt voraus, dass "die Verramschung" seines Erbes die Partei an den Abgrund führen könnte, vor allem, weil Brown "die Rhetorik unserer Gegner akzeptiert", in dem er sich von Blairs Politik und dem Projekt New Labour distanziere, aber "unfähig erscheine, nach vorne gerichtete Politikziele zu formulieren."
Miliband entfernte sich weit von Brown
Interessant ist nicht, dass Tony Blair seinen Nachfolger so deutlich kritisierte - nach den zehn Jahren Bruderkrieg in der Downing Street war eigentlich nichts anderes zu erwarten. Interessant ist, dass diese Notiz gerade jetzt in einer Zeitung erscheint, deren Leser eindeutig der konservativen Opposition zugeneigt sind. Es ist ein weiterer Schritt beim Versuch, den jetzigen britischen Premier in die Ecke zu treiben. Außenminister David Miliband war der erste, der sich öffentlich deutlich nicht hinter Brown stellte, als dieser eine empfindliche Niederlage in einer Nachwahl im schottischen Glasgow-East einstecken musste.
So weit entfernte sich Miliband aus dem Schatten seines Premiers, dass er vom einflussreichen Kommentator der Sonntagszeitung "The Observer", Andrew Rawnsley, schon zum Königsmörder ausgerufen wurde: "Er hat in seinen Interviews und mit seinem Artikel in der vergangenen Woche eine Neonwerbetafel aufgestellt, die seiner Partei und dem Land signalisiert, dass Gordon ersetzt werden muss, und dass er bereit stehe. Er hat den Premier nicht hinterrücks erdolcht. Er ersticht ihn im vollen Angesicht." Anlass zu dieser Analyse waren Aussagen Milibands zu den schlechten Umfragewerten seiner Partei, die unter anderem in dem Satz kulminierten: "Es war immer mein Wille, Gordons Führungsanspruch zu unterstützen." Mit anderen Worten: Ich habe gehofft, er würde ein guter Vorsitzender und Premier sein, aber ich muss nun sagen, dass er es nicht ist.
Grummelig, zerknittert und etwas müde
Es überrascht nicht, dass der 43-jährige Miliband als Ziehkind von Tony Blair gilt, der ihn in sein Kabinett geholt hat. Als Gordon Brown ihm vor einem Jahr das Amt des Außenministers übertrug, wurde das als Zeichen gewertet, dass Brown die Blairites ins Boot holen wollte. Jetzt wird spekuliert, wer nach Ende der Sommerferien von Brown aus dem Kabinett geschmissen wird - und ob der überhaupt noch die Autorität hat, seine Minister auszutauschen. Tony Blair, währenddessen, weilt in Urlaub. Sein Sprecher ließ mitteilen, dass er weiter mit "hundert Prozent" hinter Gordon stehe. Er dementierte jedoch nicht, dass das Memo tatsächlich von seinem Arbeitgeber stammt.´
Währenddessen urlaubt Gordon Brown an der britischen Küste, in Suffolk. Und zeigte seinen Landleuten auch hier wieder, was ihn und seinen Vorgänger unterscheidet. Während Tony Blair sich jedes Jahr aufs neue in den schillerndsten Shorts an den luxuriösten Urlaubsorten zeigte, erschien Gordon Brown in langen Hosen und beigen Blazer am englischen Strand für die üblichen Urlaubsfotos. Nur die Krawatte hatte er zu Hause gelassen. Er sah so aus, wie die Karikaturisten ihn zurzeit gerne zeichnen: grummelig, zerknittert, etwas müde und in seinen schlabbrigen Outfit überhaupt nicht auf der Höhe der Zeit.
David Cameron dagegen, der Oppositionsführer der Konservativen und Umfrage-Liebling, ließ sich in bunten Blumen-Badehosen und Poloshirt barfuß beim Frisbee-Spielen am Strand fotografieren. Und galt damit einmal mehr als wahrer "Heir to Blair", als der echte Nachfolger des Mannes, den Gordon Brown anscheinend nicht loswerden kann.