Der US-Senat hat mit großer Mehrheit ein Gesetz verabschiedet, das das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe schützt. Die Zustimmung der zweiten Parlamentskammer, des Repräsentantenhauses, fehlt zwar noch, sie gilt aber als Formalie. Damit sichern die Vereinigten Staaten ein Recht, auf dass sich die Amerikaner per Verfassungsgerichtsurteil eigentlich schon seit sieben Jahren berufen können. Doch einer der Richter am Obersten Gerichtshof, der erzkonservative Clarence Thomas, hatte deutlich gemacht, dass er und seine Kollegen das entsprechende Urteil noch einmal prüfen wollten.
Alle Ehen sollen anerkannt werden
Ganz in der US-Tradition sprechender Gesetzesnamen heißt die neue Regelung "Respect for Marriage Act", frei übersetzt: "Ehen-verdienen-Respekt-Verordnung". Damit sind aber nicht nur Hochzeiten zwischen Homosexuellen gemeint, sondern auch Verbindungen verschiedener Ethnien. Also etwa schwarzer und weißer Menschen. In den USA ist das erst seit einem Urteil des Supreme Court aus dem Jahr 1967 in den gesamten Vereinigten Staaten legal. Allerdings ist in den Originaltexten der US-Verfassung keine Rede von Homo-Ehen. Ein Teil der Richter am Obersten Gericht folgert daraus: Ohne entsprechende Erwähnung kann es keinen grundlegenden Rechtsanspruch geben. Deshalb hatten die Juristen im Sommer auch das Recht auf Abtreibung gekippt – weil es von den Verfassungsvätern nicht berücksichtigt wurde.
"Originalismus" wird diese Rechtsschule genannt, im konservativ dominierten Verfassungsgericht ist sie mittlerweile mehrheitsfähig. Es braucht wenig Fantasie, um sich auszumalen, welche drastischen Auswirkungen Urteile haben können, die auf dieser Basis gefällt werden. Weder Homosexualität oder multiethnische Ehen noch Empfängnisverhütung waren 1787, als die US-Verfassung formuliert wurde, ein Thema. Sollten sie auf den Prüfstand kommen und entsprechend dem "Willen" der Verfassungsgründer gekippt werden, wäre es jedem Bundesstaat selbst überlassen, ob deren Vertreter zum Beispiel die Pille und Kondome erlauben oder verbieten.
Erzkonservativer Richter mit zweierlei Maß
Der neue "Respect for Marriage Act" berücksichtigt die mögliche Konsequenz eines möglichen Supreme-Court-Urteil: US-Föderalismus. Das Gesetz zwingt zwar keinen US-Bundesstaat, gleichgeschlechtliche Paaren die Eheschließung zu erlauben, aber es würde die Bundesstaaten zur Anerkennung aller Ehen verpflichten, die andernorts legal geschlossen wurden. Außerdem schützt es bereits bestehende gleichgeschlechtliche Ehen. Das Gleiche gilt für die Ehe zwischen Menschen verschiedener Ethnien. Womit wieder Richter Clarence Thomas ist Spiel kommt. Denn der Jurist ist schwarz, seine Frau weiß.
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Beobachter des Verfassungsgerichts war schon im Sommer aufgefallen, dass Thomas beim Thema "Originalismus" mit zweierlei Maß misst. In seiner Stellungnahme zum Recht auf Abtreibung nannte er drei konkrete Entscheidungen seiner Vorgänger, deren Thema nicht in der Verfassung erwähnt werden und daher noch einmal geprüft werden sollten: Griswold vs. Connecticut (Recht auf Empfängisverhütung), Obergefell vs. Hodges (Homo-Ehe) und Lawrence vs. Texas (Recht auf einvernehmlichen Sex zwischen Erwachsenen). Welches Präzedenzurteil er dabei nicht erwähnte war: Loving vs. Virginia – das Recht auf multiethnische Ehen wie seine.
Gegner gemischtethnischer Ehen
Obwohl ethnische Diskriminierung auch andere Stellen der US-Verfassung ausdrücklich verbieten, gibt es vor allem bei der christlichen Rechten immer noch Stimmen, die solche Verbindungen (wie die von Homosexuellen) ausdrücklich ablehnen. So sagte der republikanische Senator Mike Braun aus Indiana noch im März, dass er die "Legalisierung gemischtrassiger Ehen 1967 für falsch" halte und über die Zulässigkeit nicht der Bund sondern die Bundesstaaten entscheiden sollten.
Quellen: DPA, Courthousenews, CBS 4, "Politico"