Vor der Wahl am Sonntag in Hongkong verfolgt Peking eine neue Version von "Ping-Pong-Diplomatie". Mit einer Tour von 50 chinesischen Goldmedaillengewinnern durch die Sonderverwaltungsregion wollen die Kommunisten verspielte Sympathien zurückgewinnen und Peking-treue Kandidaten unterstützen. So wie China und die USA 1971 über ihre Tischtennismannschaften ein Tauwetter in den Beziehungen einleiteten, umwirbt Peking mit seinen Athleten die Herzen der sieben Millionen Hongkonger. Die Hongkonger sollen "den Stolz und die Ehre" der chinesischen Sportler teilen dürfen.
Hongkonger auf den Barrikaden
Peking hat einiges gut zu machen. Vor gut einem Jahr gingen die Hongkonger auf die Barrikaden und verhinderten durch Massenproteste geplante Sicherheitsgesetze, die als Eingriff in Bürgerrechte empfunden wurden. In diesem Frühjahr dann schloss der Volkskongress in Peking eine schnellere Demokratisierung - etwa eine freie Wahl des Parlaments und des Regierungschefs - auf absehbare Zeit aus. Die Enttäuschung ließ am 1. Juli, dem Jahrestag der Rückgabe der ehemaligen britischen Kronkolonie 1997 an China, wieder eine halbe Millionen Menschen gegen Peking demonstrieren.
Am 1. August dieses Jahres hatten die chinesischen Streitkräfte erstmals eine große Militärparade in Hongkong durchgeführt. Begleitet von Panzerfahrzeugen und Kampfhubschraubern zogen rund 3.000 Soldaten durch die ehemalige britische Kronkolonie. Zu der Veranstaltung anlässlich des 77-jährigen Bestehens der so genannten Volksbefreiungsarmee wurden gezielt die Hongkonger Abgeordneten der oppositionellen Demokratischen Partei eingeladen. Beobachter werteten dies als Geste des guten Willens der Regierung in Peking. Der Hongkonger Oppositionsführer Yeung Sum erklärte allerdings, nur der direkte Dialog der Regierung mit der Demokratiebewegung könne zu einem Durchbruch führen.
"Ein Land, zwei Systeme"
Die Wahl am Sonntag ist zwar nicht demokratisch, aber ein Stimmungstest. Die 3,2 Millionen Stimmberechtigten können nur 30 der 60 Abgeordneten wählen. Nach den Vereinbarungen zwischen China und Großbritannien über das Konzept "ein Land, zwei Systeme", nach dem Hongkong autonom regiert wird, werden die anderen 30 Abgeordneten von Unternehmen, Wirtschaftsverbänden oder Berufsvereinigungen bestimmt. Diese tendieren schon allein aus Geschäftsinteresse zu Peking. Elf Sitze sind schon vergeben. Zwar dürften einige dieser gesondert verteilten Sitze auch an Demokraten gehen, doch müssten sie für eine Mehrheit auch noch die Mehrzahl der freien Mandate gewinnen, was als unwahrscheinlich gilt. Bisher stellten sie 22 Abgeordnete.
Peking möchte so wenig Demokraten wie möglich im Parlament sehen. Als Teil seiner Charme-Offensive wird sogar erwogen, Wettbewerbe der Olympischen Spiele 2008 in Peking in Hongkong auszutragen, das eine lange Reittradition hat. In Peking winken Investoren aus Hongkong auch Beteiligungen an Olympiaprojekten. Über Vereinbarungen der Welthandelsorganisation (WTO) hinaus erweiterte Peking jüngst das Freihandelsabkommen und räumte Hongkonger Unternehmen mehr Privilegien und geringere Importzölle für Waren ein.
Wirtschaft bereitet größte Sorgen
Die größte Sorge der Hongkonger ist die Wirtschaft, die noch 6,9 Prozent Arbeitslosigkeit verzeichnet. Nach der Finanzkrise 1997 und der Lungenseuche Sars 2003 geht es langsam bergauf, doch verliert die Metropole ihre Sonderrolle als "Tor zu China", da Unternehmen heute direkt in die Volksrepublik gehen.
Im Wahlkampf, so beklagten Hongkongs Zeitungen, sei es allerdings viel zu wenig um Sachthemen gegangen. Die Demokraten beklagten gar eine "Schmutzkampagne". Den starken Arm des "großen Bruders" auf der anderen Seite der Grenze bekam Kandidat Alex Ho zu spüren. Er wurde in Dongguan in Südchina festgesetzt, angeblich weil er mit einer Prostituierten angebändelt haben soll. Ohne Zugang zu einem Anwalt und ohne Gerichtsverfahren erhielt der Demokrat sechs Monate Umerziehungshaft, obwohl die Polizei in Chinas boomender Sexindustrie sonst eher durch Zurückhaltung auffällt.