Angesichts wachsenden Widerstands im Irak wollen die USA bereits Mitte nächsten Jahres die politische Souveränität an eine Übergangsregierung abgeben. Allgemeine freie Wahlen sollen erstmals Ende 2005 stattfinden. Wie die US-geführte Besatzungsverwaltung im Irak (CPA) am Sonntag mitteilte, soll nach dem am Vortag mit dem irakischen Regierungsrat vereinbarten neuen Fahrplan bis Ende Juni 2004 eine provisorische Regierung ernannt werden. Diese werde "die volle Souveränität über das Land ausüben". Die Präsenz der US-geführten Streitkräfte sei davon nicht berührt. Ihr Status soll bis Ende März 2004 gesondert geregelt werden.
Bushs Vision: Irak als demokratisches, pluralistisches Land
Beim Absturz zweier US-Kampfhubschrauber kamen am Samstag im Nordirak mindestens 17 Soldaten ums Leben, fünf weitere wurden verletzt. Ein Soldat wurde noch vermisst. US-Präsident George W. Bush schloss einen vorzeitigen Abzug der amerikanischen Soldaten aus dem Irak erneut aus. In einem am Sonntag im britischen BBC-Fernsehen ausgestrahlten Interview versicherte Bush den Irakern, "dass wir das Land nicht verfrüht verlassen werden".
Zuvor hatte Bush in Washington den Zeitplan als einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung der Vision "eines Iraks als demokratisches, pluralistisches Land im Frieden mit seinen Nachbarn" bezeichnet. Angesichts der eskalierenden Gewalt im Irak mit einer wachsenden Anzahl von Toten unter US-Soldaten hatte Bush kürzlich eine Beschleunigung des demokratischen Aufbaus angemahnt. Bush sagte, der neue Zeitplan erfülle ein gemeinsames Schlüsselziel für die USA, deren Verbündete und für das irakische Volk: die Übertragung der Souveränität an ein vom Volk gewähltes Gremium. Zugleich werde der Irak zur Schaffung einer dauerhaften, demokratischen Verfassung verpflichtet. Von der Europäischen Union gab es zunächst keine Reaktion. Die Außenminister wollen bei ihrem Treffen an diesem Montag in Brüssel nach Angaben aus diplomatischen Kreisen jedoch deutlich machen, dass die EU zur Aufbauhilfe im Irak bereit ist, aber die rasche Machtübergabe an das Volk erwartet.
Augenzeugen berichten von einer Attacke auf die Hubschrauber
Die Ursache des Hubschrauberabsturzes vom Samstagabend in Mosul wird nach US-Militärangaben noch untersucht. Die Hubschrauber seien in ein Wohngebiet gestürzt. Beide Piloten seien erfahrene Flieger gewesen. US-Medien hatten unter Berufung auf Offiziere vor Ort berichtet, dass vermutlich einer der beiden Hubschrauber vom Typ "Black Hawk" beschossen worden sei. Beim Versuch auszuweichen, sei er mit dem über ihm fliegenden Hubschrauber kollidiert.
Das US-Militär begann unterdessen in der Region Tikrit mit einer neuen Operation gegen Widerstandsnester. Die Gegend ist eine der Hochburgen des anti-amerikanischen Widerstands.
Neuer Fahrplan zu demokratischen Wahlen
Die neue Vereinbarung wurde von US-Zivilverwalter Paul Bremer und dem Regierungsrats-Vorsitzenden Dschalal Talabani unterzeichnet. Sie löst den im September von Bremer verfügten "Sieben-Schritte-Plan" ab, der eine neue Verfassung sowie freie Wahlen zur Voraussetzung für die Wiederherstellung der irakischen Souveränität gemacht hatte.
Die provisorische Regierung soll bis Juni 2004 von einer provisorischen Nationalversammlung ernannt werden, die wiederum von regionalen Versammlungen ermittelt werden soll. Die Ausarbeitung einer Verfassung und die Ausschreibung freier Wahlen wird nun auf eine bis Ende 2005 reichende Periode verschoben.
Wie das US-Magazin "Time" unter Berufung auf Regierungskreise schreibt, will Washington möglicherweise Armeeoffizieren, die unter dem Regime Saddam Hussein dienten, wieder eine führende Rolle geben. Bei diesen Überlegungen handele es sich um mehr als eine kleine Kurskorrektur. Dies sei das Eingeständnis, dass die Annahmen, auf den die bisherige US-Politik basiert habe, bröckelten, hieß es bei "Time".