Die Umweltkatastrophe in dem norditalienischen Ort Seveso verursachte vor 25 Jahren weltweites Entsetzen und löste eine internationale Diskussion über die Sicherheit chemischer Anlagen aus. Am 10. Juli 1976 trat aus einer Chemiefabrik eine Staubwolke aus, die einige Kilogramm des hochgiftigen Stoffes Tetrachlordibenzodioxin (TCDD) enthielt. Die zum Schweizer Konzern Hoffmann-LaRoche gehörende Betreiberfirma Icmesa verschwieg den Unfall tagelang. Erst nachdem in der Umgebung der Anlage massenweise Tiere starben, Pflanzen verdorrten und Menschen erkrankten, klärte das Unternehmen die Öffentlichkeit auf.
Mehr als 3.000 Tiere verendeten in dem verseuchten Gebiet, bis 1978 wurden 77.000 Tiere notgeschlachtet, um ein Eindringen des Giftes in die Nahrungskette zu verhindern. Hunderte Menschen wurden aus der Gefahrenzone evakuiert und medizinisch behandelt, schwangere Frauen entschlossen sich nach Warnungen von Ärzten zu einem Schwangerschaftsabbruch.
Schlüsselereignisse für die Verabschiedung von Richtlinien
Schlagartig lösten die Katastrophe und das tagelange Schweigen der Unternehmensleitung eine öffentliche Diskussion über die Sicherheit chemischer Anlagen aus und über Möglichkeiten, derartige Vorfälle künftig zu vermeiden. Die Brisanz des Themas wurde noch deutlicher 1985 durch das Chemieunglück im indischen Bhopal, bei dem mehr als 7.000 Menschen umkamen, und die Sandoz-Brandkatastrophe in Basel ein Jahr später, die den Rhein bis nach Rotterdam verseuchte.
Nach Angaben des Bundesumweltamtes waren es vor allem diese drei Störfälle, die zur Verabschiedung von Richtlinien für den Umgang mit derartigen Katastrophen führten. So einigte sich die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) nach jahrelangen Beratungen 1994 auf ein Abkommen zur Vermeidung von Störfällen, das die Rechte und Pflichten von Betreibern, Beschäftigten und Behörden umriss.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verabschiedete Ende der 80er Jahre Grundsätze unter anderem für die Verhütung von Störfällen mit Gefahrstoffen, die Unterrichtung der Öffentlichkeit und die Gefahrenabwehrplanung.
Das Seveso-Unglück führte auch in der Europäischen Gemeinschaft (EG) zu einer umfangreichen Sicherheitsdiskussion. Die Seveso-I-Richtlinie verpflichtete bestimmte Industriebetriebe zur Analyse der Risiken und Planung von Sicherheitsmaßnahmen und regelte die Lagerung von Chemikalien.
Die Europäische Wirtschaftskommission (ECE) einigte sich 1992 auf die Konvention über grenzüberschreitende Auswirkungen bei Störfällen. Diese sieht unter anderem die Meldung von Unfällen, Informationsaustausch und die Durchführung von Inspektionen vor.
POP-Konvention
Mit der Unterzeichnung der so genannten POP-Konvention in Stockholm Ende Mai dieses Jahres wurden zwölf hochgefährliche Chemikalien weltweit verboten. Im Folgenden eine Auflistung der Stoffe, die unter anderem für Missbildungen und Krebserkrankungen verantwortlich gemacht werden. Die POP-Konvention (Persistant Organic Pollutants) tritt nach Ratifizierung durch 50 Unterzeichnerstaaten in Kraft, was nach Einschätzung von Beobachtern allerdings vier bis fünf Jahre dauern wird.
- Aldrin ist ein Pflanzenschutzmittel, das gegen Termiten in Pflanzungen und Gebäuden sowie gegen Insekten auf Getreidefeldern und in Silos eingesetzt wird. Auch zur Bekämpfung der Tsetse-Fliege kann es verwendet werden. Das krebserregende Aldrin wird nach Angaben des UN-Umweltprogramms vermutlich nicht mehr hergestellt, ist aber wohl noch in Verwendung.
- Chlordan, das das Immunsystem schädigt, wird ebenfalls gegen Termiten eingesetzt sowie gegen Ameisen und den Nashornkäfer. Die Produktion wurde 1997 gestoppt, das Insektizid aus der Gruppe der Chlorkohlenwasserstoffe ist aber noch auf Lager und weiterhin verfügbar.
- DDT wird gegen die krankheitsübertragenden Moskitos und Tsetse-Fliegen eingesetzt sowie illegal zur Bekämpfung von Schädlingen beim Pflanzenanbau. Jährlich werden schätzungsweise bis zu 50.000 Tonnen produziert. DDT wird nur langsam abgebaut. Es kann über die Nahrungskette ins Fettgewebe von Lebewesen gelangen und unter anderem zu Schäden im Fortpflanzungssystem führen.
- Dieldrin wird von der Anwendungsweise ähnlich wie Aldrin verwendet. Bei seinem Einsatz sind Schädigungen des Fortpflanzungssystem zu erwarten.
- Dioxine sind Abfallprodukte in Autoabgasen und bei der Müllverbrennung. Sie gelten als krebserregend. Zu den Dioxinen zählt auch das so genannte Seveso-Gift, das im Tierversuch stark krebserregend ist und Missbildungen verursacht.
- Endrin wurde als im Getreide-, Reis-, Baumwoll- und Zuckeranbau verwendet und gegen Mäuse eingesetzt. Nach UN-Angaben wird der krebserregende Stoff offenbar nicht mehr genutzt.
- Furane fallen als Abfallstoffe bei der Müllverbrennung und in der Industrie an.
- Heptachlor: ein krebserregendes Insektizid zur Vernichtung von Termiten und Ameisen und von Würmern. Die Produktion wurde 1997 eingestellt, Vorräte werden aber vermutlich noch gebraucht.
- Hexachlorbenzol: ein Pflanzenschutzmittel gegen Pilzerkrankungen. Als solches wird es vermutlich nicht mehr produziert, fällt aber als Nebenprodukt bei der Herstellung anderer Chemikalien an. Hexachlorbenzol, in Deutschland seit 1977 verboten, schädigt das Immun- und Fortpflanzungssystem.
- Mirex bekämpft Termiten und Ameisen in Gebäuden und Wäldern. Es fand auch Einsatz zum Hemmen von Bränden. Möglicherweise wird der krebserregende Stoff in geringeren Mengen noch immer produziert.
- Polychlorbiphenyle (PCB) werden in Transformatoren und Kondensatoren eingesetzt sowie als Zusatzstoffe in Farben, manchen Papieren und Kunststoffen. Sie sind sehr beständig; es besteht die Gefahr der Anreicherung im Körper über die Nahrungskette. Ein krebserregendes Potenzial der PCB-Stoffe ist erwiesen.
- Toxaphen, das Schilddrüsentumore und Krebs hervorrufen kann, gilt als Pflanzenschutzmittel für die Landwirtschaft und wirkt gegen Moskitos.