Jean-Bertrand Aristide Vom Helden zur Hassfigur

Drei Mordanschläge hat Jean-Bertrand Aristide überlebt, Unruhen hat er die Stirn geboten. Dem jüngsten Aufstand konnte Haitis erster frei gewählter Präsident seit der Unabhängigkeit vor 200 Jahren nicht mehr trotzen. Er floh ins Ausland.

Der haitianische Präsident Jean-Bertrand Aristide hat sein Land wieder einmal verlassen müssen. Dieses Mal floh der ehemalige Armenpriester nicht wie 1991 vor putschenden Soldaten, sondern wurde von der eigenen Bevölkerung gestürzt und ins Exil getrieben. Auch international hatte der 50-Jährige da schon fast jeden Rückhalt verloren. Selbst die USA, die ihn 1994 mit einem Militäreinsatz wieder an die Macht gebracht hatten und auf deren Unterstützung er jahrelang bauen konnte, hatten ihn zuletzt zum Rücktritt gedrängt.

Der selbst aus armen Verhältnissen stammende Aristide war in Haiti, einem der ärmsten Länder in der westlichen Hemisphäre, in der Bevölkerung lange Zeit äußerst populär. Den Vertrauensvorschuss hat er aber schon lange aufgebraucht, Korruption, Misswirtschaft und die Willkür ihm nahe stehender bewaffneter Banden hatten überhand genommen. Selbst ehemalige Verbündete hatten sich gegen ihn gestellt.

Salesianer-Orden ermöglichte ihm Schulbildung und Studium

Aristide wurde in eine arme Bauernfamilie in Port Salut geboren. Noch als er ein Kleinkind war, wurde sein Vater Opfer von Lynchjustiz - ihm wurde vorgeworfen, Schwarze Magie eingesetzt zu haben. Im Alter von sechs Jahren wurde der intelligente Junge vom katholischen Salesianer-Orden aufgenommen. Dies ermöglichte ihm Schulbildung und Studium. Aristide studierte Theologie und Psychologie, lernte Französisch, Latein, Englisch, Deutsch, Spanisch und Hebräisch.

Eloquent fachte der Armenpriester Aristide Mitte der 80er Jahre den Aufstand gegen die 29-jährige Familiendiktatur der Duvaliers an - hielt sich Kritikern zufolge aber nicht an die Grenzen des gewaltlosen Widerstands: Zwei Jahre nach der Flucht Jean-Claude Duvaliers 1986 nach Frankreich schlossen die Salesianer Aristide aus dem Orden aus, weil er in seinen Predigten auch zu Gewalt aufgerufen hatte. "Er trat für Gewalt ein, und da mussten wir einen Schlussstrich ziehen", erklärt Edward Capelletti, der für die Ordensgemeinschaft in Haiti mit zuständig war. Studenten hätten damals berichtet, wie Aristide sie aufgefordert habe, ihre Macheten auf den Altar zu legen und die Namen ihrer Feinde zu nennen. Er selbst überstand seit 1988 drei Mordanschläge.

Erster frei gewählter Staatschef der Karibikinsel

Trotz des Widerstands von Streitkräften, Wirtschaft, Landbesitzern und der USA wurde der Armenpriester im Dezember 1990 der erste frei gewählte Staatschef der Karibikinsel. Nur knapp ein dreiviertel Jahr später wurde er jedoch bereits von der Armee gestürzt. Aristide gewann die Unterstützung der USA, die ihm Asyl gewährten, und kehrte schließlich mit Hilfe einer US-Militärintervention 1994 ins Präsidentenamt zurück.

Seitdem klammerte Aristide sich an die Macht. Zwar hielt er sich an die den USA gegebene Zusage, 1995 verfassungsgemäß auf eine direkte zweite Amtszeit zu verzichten. Er schaffte es aber, seinen Schützling Rene Preval für fünf Jahre ins Präsidentenamt zu bringen, und galt weiter als Strippenzieher hinter den Kulissen. Im Jahr 2000 schließlich trat Aristide selbst wieder an und setzte sich bei einer vom Boykott der Opposition überschatteten Wahl durch.

Korruptionsvorwürfe und Wahlfälschung

Der Boykott richtete sich gegen Manipulationen bei der vorangegangenen Parlamentswahl im Mai 2000. Die offensichtlichen Fälschungen führten auch dazu, dass ausländische Geberländer Millionen Dollar an Hilfsgeldern für Haiti einfroren, was die Lage des armen Landes natürlich noch verschärfte. Seine Gegner warfen ihm vor, den Drogenhandel und Korruption unterstützt und Angriffe bewaffneter Banden auf seine Kritiker organisiert zu haben. Vorwürfe, die Aristide von sich wies. Den Rückhalt in der Bevölkerung hatte er aber längst verloren, da er es nicht schaffte, etwas an ihren Lebensbedingungen zu verbessern.

Derweil traf Aristide in Zentralafrika ein. "Mit meinem Sturz haben sie den Baum des Friedens gefällt", sagte er in einer Radioansprache nach seiner Ankunft. "Aber er wird wieder wachsen, weil seine Wurzeln stark sind." In seiner ersten Rede seit seinem Rücktritt erwähnte Aristide eine mögliche Rückkehr nach Haiti nicht. Der staatliche Rundfunk in Bangui berichtete, Aristide werde einige Tage im Land bleiben und dann möglicherweise nach Südafrika weiterreisen. Der stellvertretende südafrikanische Außenminister Asis Pahad erklärte, er glaube nicht, dass Aristide Asyl in seinem Land beantragt habe. Im Prinzip habe Südafrika jedoch keine Einwände dagegen.

DPA
Paisley Dodds

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