Vorwahlen der US-Demokraten Ein Comeback wie einst bei Bill Clinton – Joe Biden triumphiert in South Carolina

Von Jan Christoph Wiechmann, Columbia (South Carolina)
Joe Biden: Kann der Ex-Vizepräsident im Wahlkampf gegen Donald Trump mithalten?
© AFP / stern.de




Joe Biden ist seit seinem Einstieg ins Rennen um Trumps demokratischen Herausforderer der Favorit. Doch warum kandidiert ein 77-jähriger Ex-Vizepräsident, den viele Demokraten für altbacken und einen Politdinosaurier halten? Biden sagt, seine Entscheidung sei in dem Moment gefallen, als US-Präsident Trump Neonazis in Charlottesville verteidigte, wo bei einem rechtsextremen Anschlag eine Frau getötet wurde.
Biden kämpft – wie er selbst sagt – um die „Seele“ der USA zu retten. Er will das Land wieder als einen zuverlässigen, internationalen Partner etablieren und die politische Mitte stärken. Der ehemalige Senator will keinen politischen Umbruch wie etwa seine Herausforderer Bernie Sanders oder Elizabeth Warren. Für ihn geht es um Versöhnung. So will er zum Beispiel Deals mit den Republikanern machen. Und er steht für eine Rückkehr zur Obama-Ära. 
Seine Chancen, Trump zu schlagen, stehen von allen demokratischen Kandidaten am besten. Als ehemaliger Vize ist Biden landesweit ein vertrauter Name. Und er ist beliebt bei älteren Wählern und bei Afroamerikanern. Das ist vor allem im Süden des Landes während der Vorwahlen entscheidend. Doch ausgerechnet bei diesen Vorwahlen zeigt Biden seine Schwäche: Er hat sammelt weniger Wahlkampf-Spenden als seine Mitbewerber und verspricht sich bei öffentlichen Auftritten oft. Kann er in einem harten Wahlkampf gegen Trump mithalten?  
Joe Biden hat bisher einen schwachen Wahlkampf geführt, musste Niederlage um Niederlage einstecken. Doch in South Carolina siegt er. Schafft er jetzt das beinahe Unmögliche, wie seinerzeit Bill Clinton?

Für Joe Biden war South Carolina die letzte Chance. Er flehte um Hilfe, er ging in sämtliche Kirchen der Schwarzen, er zog seine Mitarbeiter aus anderen Bundesstaaten ab, um hier zu helfen. Er redete in einer Tour von Barack Obama, dem ersten schwarzen Präsidenten der USA. Er verließ den Staat nicht mehr, während alle seine Konkurrenten längst in den großen, den wichtigeren Staaten auftraten.

Es hat sich ausgezahlt. Zunächst jedenfalls. Joe Biden. Ex-Vizepräsident der USA, hat bei der Vorwahl US-Demokraten im Kampf um die US-Präsidentschaftskandidatur in South Carolina klar gewonnen, deutlich vor Bernie Sanders. Vor allem mit Hilfe der Schwarzen, die die Mehrheit der demokratischen Wähler in dem Bundesstaat stellen.

Biden sprang auf die Bühne in der Hauptstadt Columbia und wandte sich an "alle Totgesagten und Zurückgelassenen".

Er meinte damit auch sich selbst.

Hier in South Carolina begann der große Siegeszug von Bill Clinton und Barack Obama, rechnete er vor, den letzten beiden demokratischen Präsidenten. Und hier würde jetzt auch sein Siegeszug beginnen – bis ins Weiße Haus. 

Joe Biden spricht auch vom Tod seines Sohnes

Joe Biden hielt eine bewegende Rede. Er erinnerte an die neun schwarzen Kirchgänger, die ein weißer Rassist im Juni 2015 in South Carolina erschoss. Er erinnerte an den Tod seines eigenen Sohnes wenige Wochen davor. Ihm standen Tränen in den Augen.

Dann kam er auf den wahren Grund zu sprechen, warum er antrete: Er wolle die Nation heilen, er wolle Anstand zurückbringen. Er wolle Hass und Rassismus aus dem Weißen Haus vertreiben. "Es ist die Schlacht um die Seele dieses Landes."

Und er glaubt nicht, dass Bernie Sanders und seine Revolutionäre das schaffen. "Die meisten wollen nicht das Versprechen einer Revolution. Sie wollen Resultate", sagte Biden. Die meisten Demokraten wollten einen Demokraten, einen lebenslangen Demokraten.

Es war ein Seitenhieb auf Bernie Sanders, den "Independent", den unabhängigen Kandidaten – und seinen großen Konkurrenten.

Joe Biden sieht sich als klare Alternative zu Bernie Sanders

Es war gleichzeitig eine klare Botschaft an alle Wähler und alle Kandidaten, die noch im Rennen sind: Ich bin die Alternative zu Bernie Sanders.

Irgendwann dann setzte Musik ein. "Ain’t no stopping us now.” Keiner kann uns stoppen.

Tatsächlich?

Joe Biden hatte die Vorwahlen in Iowa und New Hampshire haushoch verloren, wurde in Nevada Zweiter und ist jetzt Erster. Es klingt in der Tat wie ein großes Comeback, aber die Bezeichnung hatte sein Team schon vorher überstrapaziert.

Joe Biden spricht auf einer Veranstaltung zu seinen Unterstützern und lächelt
Joe Biden hat endlich einen Sieg eingefahren - die Freude ist dem ehemaligen US-Vizepräsidenten deutlich anzusehen
© Scott Olson / AFP

Nun aber steht schon der Super Tuesday vor der Tür

Biden hat alles auf eine Karte gesetzt. Er hat alle Energie und alles Geld in diesen einen Sieg gesteckt – und damit nichts in die 14 Staaten, die in zwei Tagen am Super Tuesday wählen. Er hat dort keine Büros, keine Wahlhelfer, keine Infrastruktur. Er hat nicht die Zahl der Freiwilligen wie Sanders und nicht die Infrastruktur wie Elizabeth Warren und schon gar nicht das Geld für TV-Werbung wie Michael Bloomberg.

Aber er hat den Schwung.

In triumphalen Nächten wie diesen vergisst man leicht: In Bidens Wahlkampf krankte es an allen Ecken und Enden. Trotz seines Status als Frontrunner hat er nie genug Spenden eingenommen. Und er hatte oft nicht die Energie. Er wirkte müde, er verhaspelte sich, er verlor sich in seinen Reden. Wer ihn aus der Nähe sah, fragte sich, ob er nicht zu alt für diese große Herausforderung ist. Es hatte beinahe etwas Tragisches.

Aber South Carolina hat ihm Energie gegeben. Er war in den letzten Tagen konzentrierter, er erhielt Hunderte Umarmungen, viel Zuspruch. Er setzte alles auf Afroamerikaner und sie setzten alles auf ihn.

Für den Super Tuesday jedoch in der kommenden Woche ist Biden in keinem einzigen Staat eindeutiger Favorit. Warren könnte in ihrem Heimatstaat Massachusetts gewinnen und Amy Klobuchar in ihrem Heimatstaat Minnesota. Sanders womöglich überall, aber vor allem in Kalifornien und Texas, wo die meisten Delegierten zu holen sind.

Joe Biden, der erfahrene Wahlkämpfer

Dreimal trat Joe Biden bisher im Kampf um die Kandidatur bei den Demokraten an: 1988, 2008 und 2020. Bis zur Vorwahl an diesem Wochenende gewann er keinen einzigen Staat.

Jetzt, mit 77 Jahren, immerhin South Carolina.

Es gilt als unmöglich, die ersten Vorwahlen in Iowa und New Hampshire deutlich zu verlieren und die Nominierung später trotzdem zu gewinnen. Das schaffte bisher keiner bei den Demokraten. Außer Bill Clinton. Genannt: das Comeback Kid.

anb