Die Plattform Wikileaks ist dafür bekannt, sich für Bürgerrechte und besonders für das Recht des Einzelnen auf Privatsphäre einzusetzen. Ein wichtiger Kampf in einer Zeit, in der die Welt sich über den Umgang mit persönlichen Informationen erst einig werden muss.
Besonders der Gründer der Organisation, Julian Assange, zahlt einen hohen Preis für die Rolle von Wikileaks im weltweiten Ringen um Staatsgeheimnisse und den Schutz persönlicher Daten im digitalen Zeitalter: Seit mittlerweile genau drei Jahren sitzt der gebürtige Australier in der Botschaft von Ecuador in London fest. Gegen ihn besteht ein internationaler Haftbefehl – die schwedische Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf sexuelle Straftaten, die Assange 2010 in Schweden begangen haben soll. Assange fürchtet, dass ihn britische oder schwedische Behörden im Zuge der Ermittlungen an die USA ausliefern können, sobald er die Botschaft verlässt. Die USA werfen ihm unter anderem Spionage und Verschwörung vor – ein Prozess würde wahrscheinlich eine hohe Strafe nach sich ziehen.
Assange lebt nun auf 70 Quadratmetern, ohne Sonnenlicht und ohne Frischluft. Auch zahlreiche Beschwerden durch Menschenrechtsorganisationen bei den Vereinten Nationen konnten bislang nichts an seiner Lage ändern. Schweden willigte im März ein, Assange in der Botschaft zu befragen. Am vergangenen Mittwoch nun, so behauptet Assange, hätte es so weit sein sollen. Doch die zuständige Staatsanwältin Marianne Ny habe die Befragung schon wieder abgesagt. "Das ist rücksichtslos“, kritisiert Assange. Ny kontert: Es habe eine formelle Erlaubnis Ecuadors gefehlt, dass schwedische Ermittler die Botschaft betreten dürfen. Sobald es diese Erlaubnis gäbe, könne die Befragung durchgeführt werden. Man hoffe, dass es bis Ende Juli so weit sei.
Keine Skrupel bei Kritik
So sehr Assange und Wikileaks auf Grundsätze wie Bürgerrechte pochen - sie scheinen nicht für jeden zu gelten. Bei Kritik an Assange und seinen Unterstützern kennen diese oft keine Skrupel: Da werden Kritiker schon mal durchs Internet geschleift, ihre Fotos und Adressen werden gepostet, dazu hagelt es wilde Vorwürfe hin bis zum Rufmord. All dies musste der in Deutschland lebende Aktivist und frühere Wikileaks-Unterstützer Mark G. am eigenen Leib erfahren.
Die Leaking-Plattform treibt in sozialen Netzwerken eine Hasswelle gegen G. voran, die ihren bisherigen Höhepunkt am 30. April erreichte: Vor dem Landgericht Frankfurt am Main musste sich der Aktivist mit Hilfe eines Anwalts gegen eine aus über 60 Anträgen bestehende Klage von zwei britischen Wikileaks-Unterstützerinnen – Mutter und Tochter – wehren: Nicht Wikileaks, hatten die Klägerinnen behauptet, sondern Mark G. selbst verbreite im Internet Lügen über Fans und Mitarbeiter von Wikileaks, und zwar über das Diskussionsforum "Wikileaks Forum". Dieses hat G. zwar mitbegründet, jedoch bereits vor Jahren wegen Mobbings durch Wikileaks-Fans an andere Betreiber übergeben. G.s Anwalt legte vor Gericht dar, dass und warum sein Mandant auf das Forum gar keinen Einfluss mehr habe. Nun folgte das Urteil: Die Klage der Wikileaks-Unterstützerinnen wurde in allen Punkten abgewiesen.
Streitbeilegung offenbar nicht gewollt
Die Motivation der Klage und der gesamte Ablauf des Rechtsstreits seien von Anfang an seltsam gewesen, meint G.s Anwalt, der Frankfurter Medienrechtsexperte Severin Müller-Riemenschneider: "Eine außergerichtliche Streitbeilegung war offenbar von vornherein nicht gewollt." Das ganze Verfahren sei womöglich von Anfang an "nur Mittel zum Zweck gewesen, unseren Mandanten maximal zu schädigen."
Das Kuriose an diesem Fall: "Die Klägerinnen haben erstaunlich viele Unterlassungsanträge anhängig gemacht und noch weitere nachgereicht, was den Streitwert natürlich nach oben trieb", erläutert der Medienanwalt. Das gehe nun nach hinten los: "Die beiden haben jetzt mit hohen Kosten zu rechnen." Und die sind gesalzen: Auf 15.000 Euro belaufen sich die gesetzlichen Gebühren für Anwälte und Gericht – Hass kann wahrlich teuer zu stehen kommen.
Wikileaks tweetet weiter Attacken
Mark G. ist nach dem Urteil erleichtert. "Ich bin froh, dass zumindest ein Teil dieses Albtraums vorbei ist", sagt er. "Vielleicht lässt sich dieser Internetmob ja von seiner Kampagne abschrecken, wenn sie merken, dass wir hier in einem Rechtsstaat leben und sie auf den Kosten für ihre Hasskampagne sitzen bleiben."
Wikileaks tweetet übrigens weiter Attacken gegen Mark G. und behauptet unter anderem, der gebürtige Brite sei für den amerikanischen FBI tätig. Einige Wikileaks-Fans haben unter dem Eindruck dieser Behauptungen inzwischen jedes Maß (und möglicherweise ihren Verstand) verloren: Kürzlich wurde in einem Tweet die Terrororganisation IS aufgefordert, sich doch mal mit Mark G. zu beschäftigen …