Es war ein Zustand, den Kardinal Konrad Krajewski einfach nicht akzeptieren konnte: Weil in einem besetzen Haus in Rom 150 Familien ohne Strom und Warmwasser leben mussten, hat der Almosenmeister des Papstes gegen das Gesetz verstoßen und den Strom eigenhändig wieder angestellt. Während italienische Medien den 55-Jährigen nun als "Robin Hood des Papstes" feiern, hat der Netzbetreiber Areti Anzeige gegen Unbekannt wegen Stromdiebstahls erstattet.
Das verwahrloste Gebäude im Besitz der Stadt Rom ist seit 2013 von Aktivisten des Verbands Action besetzt, der sich für Sozialwohnungen zugunsten einkommensschwacher Personen einsetzt, wie der ORF berichtet. Laut italienischen Medien leben in dem Haus im Zentrum der Stadt etwa 450 Menschen, darunter rund 100 Kinder. Viele von ihnen seien Flüchtlinge, aber auch Italiener, die seit Jahren auf eine Sozialwohnung warten, wohnten dort. Außerdem beherberge das ehemalige Bürogebäude Kunstwerkstätten, eine Tischlerei, eine Taverne, eine Bibliothek, ein Auditorium mit 180 Plätzen für Theateraufführungen und Konzerte und mehrere alternative Theater- und Kulturvereine. Wegen unbezahlter Rechnungen in Höhe von 300.000 Euro war den Bewohnern am 6. Mai der Strom abgestellt worden.
Kardinal Krajewski spricht von "Akt der Verzweiflung"
Die Situation sei wirklich unhaltbar gewesen, erzählte Schwester Adriana Dominici, eine Laienmissionarin, die selbst in dem Haus lebt und sich für die Bewohner des Gebäudes einsetzt, italienischen Medien. "Wir haben hier mehr als hundert Kinder, und mehr als ein Drittel der Bewohner sind alt, einige schwer krank." Es habe Stürze gegeben und medizinische Geräte hätten nicht genutzt werden können. Deshalb habe sie Krajewski kontaktiert und um Hilfe gebeten
Nachdem ein Ultimatum des Kardinals zur Wiederherstellung der Versorgung mit Elektrizität erfolglos verstrichen war, sei der 55-Jährige am späten Samstagabend persönlich in den Verteilerschacht des Hauses gestiegen, habe die dort von der Polizei angebrachten Sicherungsplomben entfernt und den Strom wieder eingeschaltet, heißt es weiter. "Er ging persönlich hinunter, weil er Erfahrung mit solchen Tätigkeiten gemacht hatte, bevor er Kardinal wurde", berichtete Dominici dem "Corriere dell Umbria". "Er blieb mehr als zweieinhalb Stunden, als dann das Licht kam, gab es einen Freudenschrei."
"Ich habe persönlich eingegriffen und den Zähler wieder angeschaltet. Es war ein Akt der Verzweiflung", sagte Krajewski der Nachrichtenagentur Ansa. "Mehr als 400 Menschen waren ohne Strom, Familien und Kinder." Er sei überzeugt gewesen, dass "es zum Wohle dieser Familien nötig war". "Ich übernehme dafür die Verantwortung. Falls eine Strafe kommen sollte, bezahle ich sie."
Krajewski will Stromrechnung bezahlen
Theoretisch droht Krajewski nach der Anzeige von Netzbetreiber Areti sogar mehr als nur eine Geldstrafe: Die Manipulation von Sicherungsplomben an elektrischen Einrichtungen gilt in Italien als Straftat. Den Medienberichten zufolge sieht das Gesetz dafür Haftstrafen von sechs Monaten bis zu drei Jahren und eine Geldstrafe vor.
In Italienische Medien wird Krajewski nun als "Robin Hood des Papstes" gefeiert, der sich gegen Tendenzen durchsetze, Arme immer mehr zu verdrängen. In Rom gibt es viele besetzte Häuser, in denen Bedürftige eine geringe Miete zahlen. Sie werden oft von linksorientierten Gemeinschaften organisiert. Vor allem dem rechten Innenminister Matteo Salvini sind diese ein Dorn im Auge. Salvini forderte den Kardinal denn auch sogleich auf, die unbeglichenen Rechnungen in Höhe von 300.000 Euro zu begleichen.

Das will Krajewski offenbar auch tun: Er sei bereit, die Stromrechnung für die bis zu 500 Bewohner des Hauses zu übernehmen, sagte er laut ORF der italienischen Zeitung "Corriere della Sera". Für die Motivation zu seiner Tat verwies er auf den letzten Blackout in Rom: "Für wenige Stunden fehlte das Licht, und es war ein Drama. Jetzt stelle man sich vor, was es heißt, sechs Tage ohne Strom zu sein."
Krajewski zufolge unterstützt der Vatikan die Hausbewohner schon seit Längerem mit medizinischer Hilfe und Lebensmitteln. Zwangsräumungen, Familien ohne Zuhause und Menschen, die kaum über die Runden kämen, seien in Rom eine Realität, sagte der Pole. Die erste Frage sei nicht die nach unbezahlten Rechnungen, sondern, wie es sein könne, dass Familien sich in solchen Situationen befänden.
Kardinal setzt sich leidenschaftlich für Arme ein
Unter Papst Franziskus ist das jahrhundertealte Amt des Almosenmeisters zu einer praxisorientierten Wohltätigkeitsarbeit geworden und mit Krajewski hat der Pontifex einen Mann auf den Posten gesetzt, der sich besonders leidenschaftlich für Arme engagiert. So verteilt der Kardinal nach Angaben der "Frankfurter Rundschau" nicht nur Spenden an Wohnungslose und macht Ausflüge mit ihnen. Er sei auch derjenige gewesen, der dafür gesorgt habe, dass Franziskus im Jahr 2015 Waschräume und einen Friseursalon für Obdachlose auf dem Petersplatz einrichten ließ. Seine Dienstwohnung habe Krajewski vor zwei Jahren einer syrischen Flüchtlingsfamilie überlassen, seither wohne er in seinem Büro.
Quellen: "Corriere dell Umbria", ORF, "Frankfurter Rundschau", Katholisch.de,