Ein Metoo-Fall in der Grünen-Fraktion im EU-Parlament wird nun brenzlig für die deutsche Fraktionschefin Terry Reintke. In einer Fraktionssitzung am Mittwoch soll es nach Angaben mehrerer Teilnehmer hoch her gegangen sein. Besonders in der französischsprachigen Delegation der Partei bröckelt offenbar die Unterstützung für Reintke. Mehrere Abgeordnete sollen in der Sitzung wütend gewesen sein, dass die Fraktionsspitze die seit längerer Zeit bekannten Gerüchte über Malte Gallée nicht ernst genommen habe. Und auch, dass sich die Fraktionsspitze nun hinter formalen Ausreden verstecke.
Die Beziehung zwischen der französischsprachigen Delegation und Terry Reintke habe schon länger Risse, berichten mehrere Abgeordnete dem stern. Eine nannte den Führungsstil der deutschen Co-Fraktionsvorsitzenden Reintke „undemokratisch“. Sie sagte, Malte Gallée sei zudem nicht der einzige problematische Abgeordnete der grünen Europagruppe.
Gegen den Grünen-Politiker Malte Gallée gibt es massive MeToo-Vorwürfe
Am vergangenen Freitag gab der bayerische Grünen-Abgeordnete Malte Gallée, als großes Polittalent und Hoffnungsträger der Partei gehandelt, seinen Rücktritt bekannt. Als Grund nannte er „Gerüchte“, die es seit einiger Zeit gegen ihn gebe. Kurz zuvor hatte der stern Gallée und seine Partei mit Recherchen und Fragen konfrontiert, denen zufolge mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktion in Brüssel Gallée vorwarfen, sie sexuell belästigt zu haben.
Seitdem hadert die Partei auch mit dem Umgang der Parteispitze mit dem Fall. Die Fraktion gibt das Bild einer tief gespaltenen Fraktion ab, auf der Suche nach Erklärungen und einem Sündenbock. Am Dienstag haben sich mehr als 100 Mitarbeiter in einem offenen Brief beschwert, wie nachlässig Reintke, die als deutsche und europäische Spitzenkandidaten bei den kommenden Europawahlen antritt, und die Führung der Partei mit den seit längerer Zeit bekannten Metoo-Vorwürfen gegen Gallée umgegangen sei. Zudem soll es nach stern-Informationen auch am Dienstag schon eine turbulente, mehrstündige Sitzung gegeben haben, in der Mitarbeitende die Fraktionsspitze heftig kritisierten. Eine mehrfach geäußerte Kritik war demnach: Gerade die Partei, die sich nach außen für Werte wie Gleichberechtigung und Selbstbestimmung stark mache, habe diese Werte selbst nicht umgesetzt.
Terry Reintke soll schon im Oktober 2022 von Vorwürfen gewusst haben
Nach Recherchen des stern soll Fraktionschefin Reintke bereits im Oktober 2022 von den Vorwürfen gegen Gallée gewusst haben. Eine Interviewanfrage lehnte sie ab. Intern soll sie in den vergangenen Tagen mehrmals gesagt haben, dass ihr Schwere und Ausmaß der Vorwürfe gegen Malte Gallée nicht bekannt gewesen seien. „Niemand in der Fraktionsführung duldet, billigt oder toleriert unangemessenes oder übergriffiges Verhalten durch irgendjemanden in der Fraktion. Es ist jedoch eine Tatsache, dass dies geschehen ist“, schrieb sie am Dienstag in einer Mail an die Grünen-Fraktion im Europaparlament.
Trotz der Kritik stellten sich am Mittwoch zumindest deutsche Grünen-Abgeordnete auch hinter Reintke. Es sei unfair, dass sie nun im Fokus der Vorwürfe stehe. Sie erhöhten den Druck auf Reintkes Co-Fraktionsvorsitzenden Philippe Lamberts. Der Belgier, der der Fraktion seit zehn Jahren vorsitze, müsse für die Verfehlungen geradestehen. Der Fall Gallée ist zudem offenbar nicht der einzige Fall, in dem es schwere Vorwürfe über den Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geht. Nach Informationen des stern richten sich derzeit Mobbingvorwürfe gegen zwei deutsche Abgeordnete. Gegen eine der beiden soll deshalb sogar ein internes Verfahren laufen.