"Wir weigern uns, uns an der Abwiegelung unserer Führung zu beteiligen, die weder dem Ernst der Lage, noch der Führungsverantwortung und der Erfahrungen der Betroffenen gerecht wird. Wir stehen in unerschütterlicher Solidarität mit den Opfern von Mobbing und ihren Zeugen“, heißt es in einem offenen Brief von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der europäischen Grünen, der dem stern vorliegt.
Adressiert ist das Schreiben an die Vorsitzenden der Grünen-Europafraktion, Terry Reintke und Philippe Lamberts, sowie an die Generalsekretärin Vula Tsetsi und den stellvertretenden Generalsekretär Guillaume Sellier. 100 ehemalige und aktuelle Grünen-Mitarbeiter in Brüssel haben den Brief unterzeichnet (Stand: Dienstag, 12 Uhr).
Malte Gallée soll Grenzen überschritten haben
Sie reagieren damit auf Recherchen des stern. Demnach sollen etliche Mitarbeitende der Partei im Europaparlament Gallée seit Sommer 2022 vorgeworfen haben, sie sexuell belästigt zu haben. Seither gingen nach Informationen des stern mehrere Beschwerden bei den Ombudspersonen der Grünen-Fraktion im Europaparlament ein. Die Parteispitze in Brüssel soll seit gut einem Jahr von den Vorwürfen gegen den deutschen Abgeordneten gewusst haben – ohne dass dies Konsequenzen hatte.
Trotz dieser Vorwürfe soll die Grünen-Fraktion in Europa keine ernsthaften Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen ergriffen haben. Diese warfen nach stern-Informationen der Fraktionsspitze um Terry Reintke vor, ihre Beschwerden nicht ernst genommen zu haben. Zudem seien sie von der Fraktion unter Druck gesetzt worden, sich nicht zu den Vorwürfen zu äußern.
Sexismus-Vorwürfe gegen Malte Gallée: Unmut bei den Grünen
Insbesondere von Terry Reintke, deutsche und europäische Spitzenkandidatin für die kommende Europawahl, sind viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter enttäuscht. Sie habe keine geeigneten Maßnahmen gegen Malte Gallée ergriffen, heißt es aus dem Umfeld der Grünen in Brüssel.
Im offenen Brief heißt es: "Die Führung unserer Fraktion erklärt und verspricht, Vorreiter im Schutz gegen Belästigung zu sein. Immer wieder haben wir gehört, dass der Kampf gegen Belästigung innerhalb und außerhalb unserer Fraktion absolute Priorität hat, während die Realität uns zeigt, dass die Führungsspitze nichts unternahm, als die Opfer um Hilfe baten. Die Belästigungsvorwürfe – und noch erschreckender – die offensichtliche Vertuschung ist nicht nur unerfreulich, sondern schockierend.“
Die Unterzeichnenden fordern Maßnahmen gegen Belästigung am Arbeitsplatz und dass "jene, die es versäumten zu handeln, zur Verantwortung gezogen werden". Terry Reintke lehnte eine Interviewanfrage des stern ab.